Beueler-Extradienst

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Die ewige Spalterin

Nun versucht sie es wieder einmal. Sahra Wagenknecht gründet mal wieder einen Verein und sammelt hierfür personenbezogene Daten. Recht bedeutend ist der Personenbezug nicht, den sie da gestern der Öffentlickeit vorgestellt hat. Größte Lichter eine ziemlich farblos-unfähige ehemalige Fraktionsvorsitzende Muhammad Ali, ein früherer WASG-Mitgründer Klaus Ernst und eine Riege acht weiterer, mittelmäßiger Bundestagsabgeordneter. “Das hervorstechendste an diesem Konglomerat ist” so ein alter politischer Freund heute morgen am Telefon, “dass es jetzt in Deutschland zum erstenmal seit 1923 wieder eine “Bewegung” gibt, die den Namen der Person an der Spitze trägt.”

Ich hätte darüber lachen können, wenn die Feststellung nicht so aktuell wie zutreffend wäre. Ein Konglomerat aus wirren angeblichen Wirtschaftsvorstellungen garniert mit vulgärmarxistischen Versatzstücken, kombiniert mit fremdenfeindlichen und rassistischen Vorbehalten im Tenor der AfD und Rechtspopulisten. Ein Kampf für den “Diesel” und alles “Normale” im Angesicht des Klimawandels unter dem Deckmäntelchen angeblicher sozialer Gerechtigkeit. Außer Populismus null politische und wissenschaftliche Substanz.

Aber das braucht Frau 2023 nicht mehr, um die Bundespressekonferenz zu füllen wie selten und dafür zu sorgen, dass die Medien landauf, landab nicht nur diese politische Diarrhoe  transportieren, sondern auch noch mit absurden “Blitzumfragen” ausschmücken und mit scheinbarer Relevanz versehen.  Manchen Sendern kann man es nicht verdenken, dass sie auf politische Pornografie stehen, aber warum müssen sie sie auch noch ausschmücken und zum “Thema der Gegenwart” erklären? Es wird spannend sein, zu beobachten, ob die Medien Wagenknecht ähnlich hypen werden, wie sie es seit zwei Jahren mit der AfD tun.

Rechte Inhalte – rechte Methoden

Der billige Vulgärpopulismus von Wagenknecht und Lafontaine ist nicht neu. Bezeichnend ist, dass die Abtrünnigen der “Linken” sich im Bezug auf ihre Bundestagsmandate genauso verhalten, wie die rechtsnationalen Abweichler der FDP und SPD vor der Verabschiedung der Ostverträge durch die sozialliberale Koalition, 1970/71. Damals hatten Kanzleramtsminister Egon Bahr (SPD), Außenminister Walter Scheel (F.D.P.) und Bundeskanzler Willy Brandt durch ihre Ostpolitik die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze, den Verzicht auf die ehemaligen “Ostgebiete” und die Aussöhnung mit Polen, der Sowjetunion und den von den Nationalsozialisten überfallenen Staaten eingeleitet. Die F.D.P.- Rechtsabweichler Erich Mende, Manfred Zoglmann und Starke  sowie der SPD-Abgeodnete und Vertriebenenfunktionär Herbert Hupka (SPD) traten aus ihren Fraktionen und Parteien aus und zur CDU über, indem sie das Mandat mitnahmen. Ihr Verrat führte zum Mißtrauensvotum durch Rainer Barzel (CDU), das dieser überraschend verlor.

Die Argumente der damaligen politischen Ultrakonservativen und der heutigen Wagenknecht-Gefolgschaft gleichen sich. Beide betonen das “freie Mandat” aus Artikel 38 Grundgesetz, das dessen Unabhängigkeit schützt, aber kein Freibrief für die Mitnahme des Mandats in eine andere Fraktion oder Partei sein kann. Historische Parallele: Der Linken-Vorsitzende Schirdewan beruft sich – wie Walter Scheel 1972 – darauf, dass die Abgeordneten von der Partei “Die Linke” aufgestellt wurden und – noch schärfer als damals die FDP – nur im Bundestag sitzen, weil drei direkt gewählte Abgeordnete die Partei trotz 4,9% in den Bundestag gebracht haben und sie auf den Landeslisten der Linken platziert wurden. Wagenknecht ficht das alles nicht an.

Die elitäre Macchiavellistin

Sie hält sich ohnehin für etwas Besonderes, pflegt ihr Image, das manche durchgenkallten Fans als Wiedergeburt Rosa Luxemburgs verehren. Deshalb hat Sahra Wagenknecht auch niemals begriffen, dass “Bewegungen” nicht autoritär von “oben” gegründet werden können, sondern aufgrund von realen Mißständen demokratisch “von unten” entstehen. Schon mit der “Bewegung Aufstehen”, die Wagenknecht im September 2018 gründete und sich im März 2019 zurückzog, hatte sie versucht, prominente Mitstreiter*innen wie Antje Vollmer zu gewinnen, die aber bald erkennen mussten, dass es nur um die Profilierung Wagenknechts, nicht aber um eine demokratisch-gleichberechtigte Initiative kritischer Intellektueller auf Augenhöhe ging. Auch der Grüne Ludger Volmer, zunächst Mitstreiter, distanzierte sich klar vom Wagenknecht-Projekt.

Ein Datenschutz-Skandal am Anfang

Jede und jeder, die einmal einen Verein oder eine Organisation gegründet haben, wissen, dass Verteiler und Adressen das wichtigste sind. Deshalb  spionieren Facebook, Google, TicToc und viele andere Datenkraken die Menschen aus. Sahra Wagenknechts Neugründung hat schon jetzt den ersten Datenschutzskandal. Aus der Landesgeschäftsstelle der “Linken” in NRW sind Mitgliederdaten verschwunden, vermutlich an Wagenknechts Neugründung weitergegeben worden. Strafanzeige wurde gestellt, die Datenschutz-Aufsichtsbehörden informiert. Bleibt nur zu hoffen, dass die Dateien der “Aufstehen”-“Bewegung” und anderer Kopfgeburten Wagenknechts und Lafontaines einem Löschkonzept zum Opfer fallen. Sonst findet am Ende noch Elon Musk Freude daran.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net

6 Kommentare

  1. w.nissing

    Ich gehe jetzt mal davon aus das obiger Text ein Meinungskommentar ist. Spontan viel mir dann das dazu ein:
    5.Mose 5:20
    20Du sollst kein falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten. 215:18 Laß dich nicht gelüsten deines Nächsten Weibes. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus, Acker, Knecht, Magd, Ochsen, Esel noch alles, was sein ist.
    oder anders ausgedrückt, da hat jemand verdammt Bammel , das seine Peergroup auf alte Prozente zurück fällt.

    Im Sprachduktus genau die gleiche Argumentationslinie wie bei unseren französischen Nachbarn gegenüber den Insoumise wie ich ja schon in einem anderen Kommentar vorausgesagt habe. so what….. aber von einem, wenn auch ehemaligen, Parlamentarier erwarte ich doch ein bisschen mehr Faktentreue bezüglich der Mandate so wie es in diesem Artikel sauber heraus gearbeitet ist: https://www.nachdenkseiten.de/?p=105739
    Die ganze moralinsaure Rest ist nichts anderes wie der übliche Internettresen.

    • Roland Appel

      Es ist bezeichnend, dass Sie kein einziges Argument haben sondern nur mit persönlichen Beleidigungen antworten.

  2. Klaus Jung

    Irgendetwas muss Frau Wagenknecht richtig gemacht haben. Sonst käme nicht so ein Geheul von alten Veteranen aus F.D.P. (mit Punkten) und Grünen, der seinerzeitigen Heimstatt fast aller übrig gebliebenen der K-Parteien, die den großen Vorsitzenden Mao verehrt aber nicht verstanden hatten.
    Bei den orthodoxen Linken (DKPisten) wurde seinerzeit oft gemutmaßt, diese K-Parteien seien an einem unsichtbaren Gängelband der CIA geführt. Damals habe ich das für Humbug gehalten. Heute dagegen staune ich über die Übereinstimmung genau dieser alten K-Parteien-Funktionäre und Zu-den-Grünen-Migranten in der Frage von Waffenlieferungen an die Spätgeborenen der Bandera-Banden.
    Dass Frau Wagenknecht eine gewisse Eitelkeit pflegt… Welcher Politiker hat das nicht?
    Ansonsten: Warten wir doch erstmal ab.

  3. w.nissing

    Nachtrag: Es gab vorgestern einen wie ich finde relativ nüchternen journalistischen Beitrag in der ARD… hatte ich echt nicht erwartet bei denen: https://www.ardmediathek.de/video/Y3JpZDovL2

  4. Rainer Bohnet

    Sarah Wagenknecht ist eine Intellektuelle, die allerdings auch elitär agiert. Das macht sie unnahbar. Ob ihre Abspaltung von den Linken erfolgreich sein wird, bleibt abzuwarten.

    • Roland Appel

      Lieber Rainer, was ihren Erfolg anbelangt, würden sich sicher viele freuen, wenn sie der AfD Stimmen wegnimmt. Selbst ich muss gestehen, da wäre ich nicht böse drum, fast dankbar. Aber ob das der Ehrlichkeit von Politik dient? Wie gesagt – Macchiavelli lässt grüßen…

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