Nach Trumps Unterschrift gegen das transpazifische Handelsabkommen TPP haben in Beijing wahrscheinlich einige Champagnerkorken geknallt. “America first” schafft überall auf der Welt Vakuum. Wer könnte es z.Z. besser füllen? Es gibt jedoch ein Problem, bei dem sind sich alle Regierungen einig: “Fake-News”. Man spürt förmlich in jeder Zeile das Entsetzen, das die FAZ-Berichterstatterin bei einem deutsch-chinesischen Medientreffen erfasst hat. Es ist in der Sache berechtigt, allerdings in keiner Weise auf China begrenzt.
Allen Regierungen überall auf der Welt entgleitet die Kontrolle über ihre Gesellschaften und damit potenziell über ihren Staat und ihre Regierungsmacht. Das hat was mit der neoliberalen Individualisierung zu tun, die sie selbst entfesselt haben, aber natürlich auch mit dem informationstechnischen Fortschritt, von dem sie alle überholt wurden. Für viele Ältere von uns gilt das auch individuell. Für mich nicht. In meiner bisher 60-jährigen Lebenszeit empfinde ich diesen Prozess als große Befreiung, für alle Regierenden und Machthaber ist es natürlich das Gegenteil. Und für die Vielen, denen heute alles zu schnell geht, auch. Das dürfte ein tieferer Grund für die allgemeine, politische Systeme und Kontinentalgrenzen überschreitende Renaissance des Autoritarismus sein. Eine panische Abwehrreaktion vor einer – aus deren Perspektive – drohenden Katastrophe.
In der Medienwelt ist die Revolution schon imgange, manövrierunfähige Dickschiffe sind schon untergegangen, oder gerade dabei, basisnahe Schnellboote versuchen in die Lücken zu fahren.
Ein solcher Vorgang ist z.B. der Deal zwischen Correct!v und Facebook. Paul Schreyer beschreibt heute seine Auseinandersetzung mit David Schraven. Ich kann mir ihr Gespräch vorstellen, als würde ich daneben sitzen. David muss für seinen Laden neue Geschäftsfelder identifizieren, um nicht allein von Stiftungsgeldern abhängig zu bleiben und sich von Bodo Hombach zu emanzipieren. Recherchedeals mit alten Zeitungsverlagshäusern, die ihre eigenen Redaktionen eingeschmolzen haben, sind zwar schön, aber keine Zukunftsperspektive – mach’ mal Geschäfte mit einem sinkenden Tanker. Schreyer dagegen steht beobachtend am Rand, kritisiert und mäkelt. Seine kritischen Fragen sind allerdings berechtigt. Unrealistisch ist, Sofort-Antworten zu erwarten, wenn sich gegenwärtig alles ändert, und das immer schneller. Darum will Schraven die Antworten im Arbeitsprozess erlernen. Das ist ein vernünftiger und realistischer Ansatz. Er darf nur nicht glauben, auf diese Weise vor dem Antworten weglaufen zu können. Update 6.2.: Wie sehr er von allen Seiten unter Druck steht, schreibt er hier selbst.
Als launiger Abschluss noch ein Beispiel für eine linksradikale “Fake-News”-artige Technik: die Junge Welt veröffentlichte heute einen Text der etwas fixierten aber allgemein immer lesenswerten Hillary-Kritikerin Diana Johnstone. Der Text liest sich wie eine giftige Kritik an den Anti-Trump-Massendemonstrationen des letzten Wochenendes. Ist er aber nicht, weil er schon Mitte Dezember 2016 geschrieben wurde. Da erhebt und vergewissert sich das demokratische US-Amerika, mit weltweiter internationaler Solidarität, gibt sich Kraft und macht sich Mut, nichts ist derzeit nötiger als das, und dieser Fake ist der Beitrag deutscher Linksradikaler? Er ist transparent, weil es unter dem Text vermerkt ist (wieviele lesen bis unten?). Trotzdem bleibt die Frage, was eine Redaktion sich dabei wohl denkt. Ist das wichtig? Vielleicht ja nicht.
Update 25.1.: zum grassierenden Unsinn in der “Fake-News”-Debatte auch dieser netzpolitik.org-Kommentar.
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