von Gert Samuel

Wenn ein Politiker und ein Wissenschaftler sich zu den Themen Wachstum, Politik und die Ethik des Genug austauschen – so der Untertitel des hier besprochenen Buches –, dann wird zunächst einmal kaum jemand darüber überrascht sein, dass es prägnante Unterschiede geben wird. Wenn die beiden Diskutanten Erhard Eppler und Niko Paech heißen, dann vermuten viele wohl meist ähnliche Meinungen. Kann die Lektüre eines solchen Gespräches spannend sein? Sie kann es. Der Moderatorin, Christiane Grefe, gelingt es, sowohl übereinstimmende Vorstellungen wie auch deutlich voneinander abweichende bis gegensätzliche Analysen und Bewertungen zu provozieren.

Eine Reihe von Argumenten und Vorhaben von Niko Paech klingen angesichts der Auswüchse unserer westlichen Zivilisation überzeugend und sympathisch. Und auch zur Unterstützung für einige seiner Ziele gibt es gute Gründe. Doch Paechs Vorschläge zur Umsetzung sind durchsetzt von einem starken Glauben an und einer großen Portion Hoffnung auf die Überzeugungskraft seiner Postwachstumstheorie. Politische Machbarkeit, und vor allem politische Macht sind dabei nicht sein Thema; letztere stehe im Verdacht, „Feind der sozialen Emanzipation zu sein“ (S. 160). Im Zentrum seines Plädoyers für das Schrumpfen stehen das Individuum und dessen Handeln; es geht eher um die Selbstverwirklichung.

Zwei Ausschnitte aus dem Gespräch seien zur Anregung angeführt. Erhard Eppler bemängelt, dass in der Argumentation zur Konsum- und Wachstumskritik von Niko Paech weder das kapitalistische System noch „eine mächtige Gruppe von Menschen und Unternehmen vorkomme, die dieses System mit Zähnen und Klauen verteidigen“ (S. 79f). Niko Paech antwortet: „Ich glaube nicht an die Macht einer kleinen Clique, die den Kapitalismus um jeden Preis aufrechterhalten will. Vielmehr sind es etliche Millionen Menschen in Deutschland, die dieses System unterstützen und verteidigen, nämlich aus Angst, dass sie sonst ihr Auto, ihr Eigenheim, ihren noch größeren Flachbildschirm nicht mehr kriegen“ (S. 80). Kapitalismuskritik und der damit verbundene Verweis auf eine angebliche Machtfrage blendeten auf „bequeme Weise nicht nur die individuelle Verantwortung aus“, sondern leugneten zudem die vielen Freiräume aller, „um dem aktuellen Wirtschaftssystem an unzähligen Stellen den Boden zu entziehen“ (S. 81).

Beim Thema Erneuerbare Energien werden die verschiedenen Ansichten noch deutlicher. Erhard Eppler kontert auf Paechs Einwurf, der „Glaube an die Machbarkeit der Energiewende“ erinnere ihn an die „Technikgläubigkeit der 50er und 60er- Jahre, als Politiker sich in die Atomenergie verliebt hatten“ (S. 120) wie folgt: „Bei den erneuerbaren Energien ist wirklich etwas erreicht worden, und das nicht erst seit Frau Merkels Wende nach Fukushima, sondern bereits vor 40 Jahren. Nun gibt es etwas, das ich mir nicht einmal vor zehn Jahren hätte vorstellen können: nämlich einen politischen Konsens. Bei den einen ist er ernster gemeint als bei den anderen, aber so gut wie ausnahmslos alle politischen Kräfte wollen heute den Umbau“ (S. 120). Und Eppler hebt als das vielleicht wichtigste Argument für die Energiewende hervor: Hermann Scheer habe „mit seiner Energiepolitik jenseits des Wandels der Rohstoffbasis noch etwas ganz anderes“ erreichen wollen, „eine Dezentralisierung der politischen Macht“ (S. 121).

Erhard Eppler/Niko Paech: “Was Sie da vorhaben, wäre ja eine Revolution. Ein Streitgespräch über Wachstum, Politik und eine Ethik des Genug”. oekom 2016, 208 Seiten, 14,95 €. ISBN 978-3-86581-835-5
Dieser Beitrag erscheint in der Zeitschrift “Solarzeitalter 1/2017”, und hier mit freundlicher Genehmigung des Autors.

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