von Jupp Legrand / Otto-Brenner Stiftung

+++ Untersuchung bestätigt Polarisierungstrends: Vertrauen in Medien bleibt hoch, gleichzeitig steigt Misstrauen stark an +++ Glaubwürdigkeit der Medien und Vertrauen in demokratische Institutionen sind eng gekoppelt: Lediglich 18% der Menschen, die Medien misstrauen, sind mit der Demokratie zufrieden +++ Zusammenhang besonders stark für Institutionen der repräsentativen Demokratie wie Parlament und Parteien, schwächer ist er bei Justiz und Polizei +++ Öffentlich-rechtlicher Rundfunk sowie Qualitätszeitungen schaffen Medien- und Demokratievertrauen +++ Internet stellt mit Echokammern große Herausforderung dar

Die gesellschaftliche Polarisierung, so ein zentraler Befund einer neuen Untersuchung der Otto Brenner Stiftung über Mediennutzung und Demokratiezufriedenheit, geht einher mit einer wachsenden Polarisierung des Misstrauens in die Medien. Einerseits bleibe die Glaubwürdigkeit der Medien vergleichsweise stabil und hoch. Andererseits wachse aber auch der Anteil derjenigen, die Medien mit starkem Misstrauen begegnen. Diejenigen Milieus, die sich durch Ablehnung der demokratischen Grundwerte auszeichnen, sind auch durch ein starkes Misstrauen gegenüber allen Medien geprägt. Das OBS-Autorenteam um Oliver Decker, der auch die Leipziger „Mitte“-Studien zum Autoritarismus in Deutschland mitverantwortet, weist erstmals diesen Zusammenhang nach und untersucht seine Folgen. In der innovativen Untersuchung werden die Ergebnisse der Leipziger „Mitte“-Studien zur Entwicklung unterschiedlicher politischer Milieus mit der Einstellung gegenüber verschiedenen Medien kombiniert. Ein wichtiger Befund: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Tageszeitungen erzielen nach wie vor hohe Vertrauenswerte. Allerdings sind diese zum Beispiel in den antidemokratisch-autoritären Milieus deutlich auf unter 40 % gesunken.
Die Boulevardpresse und vor allem das Internet sind demgegenüber weit abgeschlagen – quer durch alle Milieus glaubt ca. nur jeder Fünfte, was dort zu lesen ist: „Menschen, die den klassischen Medien misstrauen, informieren sich öfter über das Internet – und misstrauen auch den dortigen Nachrichten“, stellt der Studienleiter Oliver Decker fest und gibt zu bedenken: „Wir sehen hier ganze politische Milieus, die sich in der demokratischen Gesellschaft nicht mehr repräsentiert fühlen“.

Erstmals kann die Untersuchung der OBS darüber hinaus eindrucksvoll belegen, dass eine Wechselwirkung zwischen Medienvertrauen und Demokratiezufriedenheit besteht. Denn auch unabhängig vom einzelnen Milieu lässt sich feststellen: Wer die Glaubwürdigkeit der Medien hoch einschätzt, ist auch mit dem Funktionieren der Demokratie hoch zufrieden. Umgekehrt gilt: Wer Medien als unglaubwürdig einstuft, ist höchst unzufrieden mit dem Funktionieren der Demokratie. 90% der Menschen, die den Medien grundsätzlich Glaubwürdigkeit zugestehen, sind zugleich auch mit der Idee der Demokratie zufrieden. Bei denjenigen, die dieses Vertrauen verloren haben, sieht dies nur noch knapp die Hälfte der Befragten so. Die Folgen dieser Wechselwirkung sind beträchtlich: Unter diesen Menschen wählen knapp 60% gar nicht oder die AfD. Dabei hat die Art des konsumierten Mediums ebenfalls einen großen Einfluss auf die Vertrauensbildung: In der Gruppe von Personen, die sich ausschließlich im Internet informieren, ist der Anteil der Nicht- und AfD-Wähler stark erhöht. Demgegenüber ist das Vertrauen in alle gesellschaftlichen Institutionen (von Gewerkschaften und Kirchen über Polizei und Justiz bis hin zu Regierung, Parlament und Parteien) deutlich niedriger als im Rest der Bevölkerung.

Die Ergebnisse bestätigen, dass es hinsichtlich der Vertrauens- und Glaubwürdigkeitskrise der Medien trotz eines weiterhin hohen Zuspruchs vieler Menschen keine Entwarnung geben kann und darf. Die Zahlen deuten vielmehr darauf hin, dass ambivalente Haltungen abnehmen. Großes Vertrauen bleibt stabil und hoch, aber auch tiefes Misstrauen steigt kontinuierlich an. Besonders die wechselseitige Kopplung von Medienglaubwürdigkeit und Demokratievertrauen verweist auf die beträchtliche Gefahr für unsere demokratische Ordnung, wenn ein relevanter Teil der Bevölkerung weder durch gemeinsame Werte und Überzeugungen, noch durch die Teilhabe an einer gemeinsamen Öffentlichkeit für die Gesellschaft erreichbar bleibt. Der Einbezug von möglichst vielen Individuen und Milieus in eine dialogische Öffentlichkeit muss für Bildungseinrichtungen und Medienmacher oberstes Ziel bleiben.

Hier die Dokumentation des Schlusskapitels der Studie

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