Das Wochenende ist Palaverzeit. Die Mitglieder des politisch-medialen Komplexes in Berlin sind auf Heimaturlaub, machen Wahlkreisarbeit, oder treffen sich in Parteigremien und Kungelrunden, und geben Interviews. Der Springer-Verlag versucht mit seinen Sonntagsblättern die Agenda in seinem Sinn zu steuern, dass der Spiegel jetzt samstags erscheint – hat das schon jemand bemerkt?
Die für das Volk relevanteste Nachricht ist, dass die Bundesligasaison gestern Abend im Westfalenstadion – gefühlt – vorzeitig beendet wurde. Jetzt folgt wieder eine Länderspielpause, gegen England und Frankreich. Bei gutem Fußball könnte sie die Stimmung der Fans kurzzeitig aufhellen, die der Bundesligamanager dagegen weiter ansäuern. Denn Vereine und Nationalmannschaft ergänzen sich nicht mehr, sondern sind Konkurrentinnen um den Aufmerksamkeits- und Medienmarkt.
Es gab trotz allem eine Reihe politischer Vorgänge, die Aufmerksamkeit verdienen.
Während in Bonn, von der Berliner Republik weitgehend unbemerkt, die Weltklimakonferenz tagt, gibt der Bonner Abgeordnete Lambsdorff, der bei der Direktwahl im Wahlkreis klar scheiterte, ein Interview, mit dem er fast trumpartig den Klimaschutz einkassieren will. Wie verantwortungslos das ist, womit uns der DLF in seinen Nachrichten heute den ganzen Tag beschallte, das erklärte Ex-SPD-MdB und Ex-Chef des Wuppertaler Klimainstituts Ernst-Ulrich von Weizsäcker den Frühaufsteher*inne*n. Jürgen Trittin erklärte Spiegel-online, was die FDP da treibt, und insbesondere, welche Strategie die Kanzlerinnen-Partei CDU nichtöffentlich verfolgt.
Mit vielen wichtigen Themen beschäftigen sich die Koalitionsverhandlungen scheinbar nicht, so weit wir das aus ihrem öffentlichen Geklingel, das uns natürlich auch immer in die Irre führen soll, schliessen dürfen. Auch dafür einige Beispiele:
Was ist los in den arabischen Staaten? Roman Schack veröffentlichte dazu auf Telepolis ein aufschlussreiches Interview mit dem ehemaligen Al-Dschasira-Korrespondenten Aktham Suliman. In Saudi-Arabien krempelt Kronmprinz Salman derzeit die Regierung grundlegend um. Sobald es dazu interessante Analysen gibt, will ich hier darauf hinweisen. Heute habe ich noch keine gefunden.
Update 6.11.: Karim El-Gawhary, dessen Korrespondentenarbeit ich sehr schätze schreibt heute in der taz, hier zum kalten Putsch des Prinzen Salman, und hier zur Frauenpolitik des Feudalherrschers.
Im Oxiblog geht es aktuell um den agrarindustriellen Komplex, der die Bauern bereits im Schwitzkasten hat, die artenvielfalt sowie die Vielfalt unserer Ernährung gefährdet, und unser Leben auf diesem Planeten zu Diensten kapitalistischer Gesetzmässigkeiten in Gefahr bringt. Dass ausgerechnet die CSU sich in den Koalitionsverhandlungen als Cheflobbyistin der Agrarindustrie aufführt, ist ein echter Treppenwitz. Denn in Bayern gibt es noch inhabergeführte Landwirtschaft, es sind der Osten und Niedersachsen, in denen Investmentfonds und Chemieindustrie die Landwirtschaft schon erobert haben. Nur die allerdümmsten Kälber …..
Die CSU ist ein Trümmerhaufen und zelebriert das auch noch öffentlich, wie die Grünen der 80er Jahre. Ulrich Horn fasst das gut zusammen; die Forumskommentare unter seinem klugen Text mobilisieren dagegen in mir bisher unbemerkt gebliebene Merkel-Sympathien.
Im Freitag beschäftigen sich Texte von Ulrike Guerot, Robert Menasse und Raul Zelik mit der katalanischen Position in Spanien.
Telepolis berichtet weiter, wie der Drohnenkrieg uns neue Terrorist*inn*en rekrutiert.
Denn intellektuellen Höhepunkt des Wochenendes lieferte Charlotte Wiedemann (63): während die #metoo-Sau durchs westmediale Dorf getrieben wird, vieles davon gut so und nicht schlecht, stellt sie sich der Frage, wie ein würdiges feministisches Altern gelingen kann. Die Frau, hinter der in ihrer Bonner Korrespondentinnenzeit heterosexuelle Frauenjäger im Rudel hinterher waren (in unserem Dorf blieb nie was verborgen, es wurde allerdings auch nicht gedruckt oder gesendet), sie ist schön geblieben und immer klüger geworden. Jedes ihrer Bücher ist bis heute lesenswert. Sie lesen doch Bücher?
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