Gemeint ist nicht die Randstadt Berlin, 70 km vor Polen. Sondern die 5,5 Mio. Einwohner*innen zählende Stadt mitten in NRW, Teil einer europäischen Metropolenregion, die von London, über Paris, Benelux und das Rheinland mit Köln und Düsseldorf reicht – bis zum Ruhrgebiet. Bereits in der Bundesligasaison 1969/70, abgeschlossen mit dem ersten Meistertitel von Borussia Mönchengladbach mit der Rekordpunktzahl von 51-17, wurde mir klar, dass mit dem Ruhrgebiet was nicht stimmt. Spiele im Schlamm des Stadions an der Hafenstraße in Essen, ebenso im Niederrheinstadion des damaligen Erstligisten RW Oberhausen; und noch viel mehr Spielausfälle mit einer zeitweise grotesk verzerrten Ligatabelle. Damals lehrte mich mein Grossvater mit seiner 100%-Staublunge: das Stadion von RW Essen liegt unter dem Meeresspiegel.
Meine Grosseltern und Eltern hatten Jahrzehnte zuvor auch noch echte Emscher-Hochwasser erlebt. Mir wurde schon schlecht, wen ich nur daran dachte, denn die Emscher war und ist bis heute eine offener, eingedeichter Abwasserkanal. Sie wird derzeit renaturiert von der Emschergenossenschaft, der wohl einzigen in öffentlichen Eigentum befindlichen Gesellschaft, die planungssicher und kosteneffizient bauen kann.
Und nun rechnet Andreas Wyputta uns in der taz kühl vor: hat alles keinen Zweck, Absaufen ist vorprogrammiert. Andreas ist kein sensationsgeiler rasender Reporter. Sondern ein grundvernünftiger, nachdenklicher Beobachter und Recherchejournalist. Einer, der sich nicht gerne verarschen lässt. Ich durfte ihn persönlich kennenlernen, und schätze ihn sehr.
Er rechnet vor, was jede*r mittels der Grundrechenarten nachvollziehen kann. Eine Stiftung ist so konstruiert, dass sie mit den Zinsen, die ihr Stiftungskapital abwirft, ihre Aktivitäten finanziert. Die Ruhrkohle-Stiftung wurde gegründet, um die Bergbaukonzerne und ihre Kapitaleigentümer von ihrer Verantwortung für die Altlasten, die ihre Ausbeutung und ihre Profite hinterlassen haben, zu befreien. Befreit sind sie nun. Unser Schutz vor den Altlasten ist nun aber leider nicht mehr gewährleistet, weil es keine Zinsen gibt.
90% der aktuellen Einnahmen der Ruhrkohle-Stiftung fliessen aus ihrer Mehrheitsbeteiligung am Evonik-Konzern. Vor kurzem war noch von Stiftungschef Werner Müller, einem “besten Freund” Gerhard Schröders, erwogen worden, sie zu verkaufen. Evonik wird beschönigend als die “weissen Aktivitäten” der ehemaligen “Ruhrkohle AG” beschrieben, im Kern ist es vor allem Chemieindustrie, also weitere Altlastenproduktion. Das Geschäftsmodell ist moralisch vergleichbar mit der Stiftung des Multimilliardärs-Ehepaares Gates, die an Gentechnologie- und Pharmafirmen beteiligt ist, und mit ihrem Kapital die Politik der Weltgesundheitsorganisation dominiert. Im Kern also: auf moralischem und ökologischem Sand gebauter Bullshit.
Ich war also meiner Zeit voraus, als ich das Ruhrgebiet 1976 verlassen habe. Viele haben es mir nachgetan, der demografische Wandel schlägt dort ähnlich zu wie im deutschen Osten. Die letzte Kneipe im Stadtteil meines Vaters hat vor langem geschlossen – ihre Kegelbahn im Keller war abgesoffen, im steigenden Grundwasser und Schimmel.
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