Nein, Außenpolitik sollte nicht nach moralischen Gesichtspunkten geführt werden. Da hat Jean-Claude Juncker recht, wenn er sagt, wenn wir nur noch mit lupenreinen Demokraten reden wollten, würde es sehr schnell einsam um die EU – und sogar intern mit Ungarn und Italien. Das mag sein – der Ägyptische Militärherrscher Al-Sisi hat sich gegenüber dem Westen auf der Nahost-Konferenz der EU verboten, dass man seine Auffassung von Menschenrechten beurteilen werde. Peinlich, mit wem man da zusammensaß. Dabei wird immer klarer, wie moderne IT-Techniken die Menschen- und Bürgerrechte unter den Bedingungen der arabischen Despoten zerstören.
Frauen zu Haustieren
In Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten gibt es eine App, mit der Frauen elektronisch in ihrem “Betreuungsstatus” überwacht werden. Sie haben nämlich nicht das Recht, sich ohne Erlaubnis ihres Mackers zu bewegen, zu reisen oder in irgendeiner Weise sich selbst zu bestimmen. Ihre Männer = Vormünder können eingeben, wie oft ihre Frauen z.B. reisen dürfen, ob sie ein Visum für das Nachbaremirat bekommen, ob sie fliegen, oder Auto fahren dürfen. Endlich können die Kandidatinnen für Zwangsverheiratungen rund um die Uhr kontrolliert, an der Flucht oder Ausreise gehindert werden, wird kontrolliert, wo sie sich wann aufhalten, werden sie rund um die Uhr getrackt und – Bargeld wird ja abgeschafft – auch daran gehindert irgendeine unliebsame finanzielle Verfügung zu treffen. Vom nicht “Halal” Gummibärchen bis zum Flugticket nach Kanada.
Verstrickt und voll involviert in diese Menschenrechtsverletzungen sind Google, die nach Medienberichten die Geodaten liefern, Apple und Android, die in den App-Stores, die entsprechenden Software-Applikationen bereitwillig zur Verfügung stellen. Informationstechnische Menschenrechtsverletzung – und die “üblichen Verdächtigen” der Branche sind vermutlich an vorderer Front mit dabei. Es wird für Frauenrechtlerinnen und Opfer häuslicher Gewalt, die aus den Golfstaaten und ihrer zerstörerischen wahabitischen Ideologie flüchten wollen, immer schwerer – mit Hilfe und Unterstützung westlicher IT-Konzerne.
Gewissenlose Handlangerschaft der USA
Für 100 Milliarden US-Dollar hat Donald Trump dem saudi-arabischen Regime, das dieses staatliche umfassende Gefängnis für alle Frauen unterhält, 2018 Waffen verkauft. Dieses Regime ermordet kritische Journalisten, der Oberverbrecher-Kronprinz Bin Salman wird vor der Öffentlichkeit versteckt, bis seine Täterschaft am Kashoggi-Mord in Vergessenheit gerät. Nichts passiert, um diesen Gangstern auf Regierungssesseln Einhalt zu gebieten – ganz im Gegenteil ist zu lesen, dass sich Saudi-Arabien um die Atombombe bemüht und ihnen die USA Reaktoren verkaufen werden, um sie in die Lage zu versetzen, das nötige spaltbare Material zu erzeugen. Wo ist die Europäische Strategie, die erdacht wird, um diesen Verhältnissen langfristig entgegenzuwirken?
Heisst von China lernen, siegen lernen?
Ein kurzfristiger Waffenexportboykott ist sicher ein Zeichen, wie sich jetzt zeigt, aber auch nicht mehr und nicht ernsthaft von allen EU-Staaten getragen. China zeigt gerade mit dem Projekt Seidenstraße, wie man Entwicklungspolitik und ökonomischen Imperialismus zum eigenen Nutzen mit hoher Akzeptanz bei den Partnern und langfristiger Perspektive planen und umsetzen kann. Dabei handelt es sich um eine ähnlich durchdachte und letztlich vermutlich erfolgreiche Strategie, wie es einstmals das Konzept “Wandel durch Annäherung” der sozialliberalen Bundesregierung gegenüber dem Ostblock darstellte. So etwas könnte durchaus wieder gedacht werden. Warum nicht von der EU? Könnte die Bewegung bringen in die schier aussichtslosen Verhältnisse im Nahen Osten?
Nordafrikas Prosperität als Schlüssel zum Frieden
Das Dilemma der nordafrikanischen Staaten liegt in der ökonomischen Aussichtslosigkeit und Abhängigkeit von Saudi-Arabien einserseits und dem Iran andererseits. Während Ägypten mit einem drastischen Bevölkerungswachstum bei gleichzeitiger ökonomischer Stagnation und Abhängigkeit von den USA leidet, die restlichen Mahgrebstaaten dieses Schicksal teilen und damit die Hegemonie der Saudis und anderer Emirate eine wichtige Rolle spielt, andererseits der Iran Syrien und die Hamas im Griff hat, hält dies die sozialen Verhältnisse gleichzeitig prekär, liefert den Nährboden für genügend Verzweifelte, die sich dem Terrorismus, der Israelfeindschaft und der Bereitschaft zu Kriegsführung und Intifada hinzugeben bereit sind. Was aber, wenn ein Strategiewechsel bei der Mobilität von Europa ausgehend diesen Teufelskreis durchbrechen würde? Wenn die EU etwa beschlösse, mit Milliardeninvestitionen in die nordafrikanischen Wüstengebiete Solarenergiekraftwerke größten Ausmaßes zu errichten und zu finanzieren? Wenn damit z.B. eine Wasserstofftechik für Brennstoffzellen-Mobilität aufgebaut würde, die mit Europäischem Kapital Produktion und Aufbau, Nutzung, Wartung und Bewachung von Solarenergiekraftwerken einen ungeheuren Wohlstands- und Beschäftigungsschub für den Mahgreb bedeuten könnte. Darüber hinaus würden die ökonomisch schwachen EU-Südstaaten wie Griechenland, Italien und Portugal zu neuen, gewichtigeren Playern in der EU wachsen.
Vorteile einer prosperierenden Mahgreb-Region
Eine solche ökonomische Wandlung des Mahgreb hätte nicht nur den Vorteil, dass jede Menge Arbeitsplätze geschaffen würden. Bildung und Ausbildung, Perspektiven für die Jugend hätten nicht nur ökonomische und politische Stabilisierungen der Gesellschaften zur Folge: Sie würden die heutige ökonomische Attraktivität für Migration aus der EU hinaus verlagern und damit die Attraktivität dieser Region steigern. Erfahrungsgemäß würden aber mit überzeugender ökonomischer Besserstellung ideologischen Extremisten wie den Wahabiten in Saudi-Arabien, Moslembrüdern in Ägypten der Boden entzogen, weil wachsender Wohlstand und wachsende Bildung die natürlichen Feinde dieser Heilsideologien sind. Wie, wenn nicht auf diesem Wege, sollte eine Aussicht bestehen, den radikalen Predigern und Verführern den Boden zu entziehen?
Auch auf das Verhältnis zum Iran und zu Israel könnte eine solche Entwicklung positive Effekte haben. Es wird Zeit, dass die EU erkennt, dass in einer massiven ökologisch orientierten Wirtschaftsförderpolitik vor ihrer Südgrenze ungeheure Chancen liegen. Und prosperierende Mahgrebstaaten sind eine bessere Fluchtursachenpolitik als Zäune, Mauern und Militärpatrouillen. Nicht zuletzt vielleicht der Schlüssel für eine Befriedung des nahen Ostens und der Erhöhung der Sicherheit Israels. So könnte die EU dem 100 Milliarden für Waffen – Deal Trumps ein ökonomisch sinnvolles und friedenpolitisch wirksames Programm entgegen setzen. Statt Waffen zu verkaufen, von dem niemand weiss, gegen wen sie das wahabitische Mörderregime einsetzen wird. Friedenspolitik durch Wirtschaftsförderung – Wandel durch Annäherung: eigentlich eine Pflichtveranstaltung vor der eigenen Haustür!
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