Vielleicht deutscher, als die meisten glauben
Isolde Charim/taz und David Schalko/SZ versuchen ihr Land zu erklären. Charim ist sowieso klug, eine Frau, die was von Dialektik versteht, doch als globale Weltbürgerin wird ihr viel Österreichisches mental verschlossen bleiben. Schalko gibt als derzeit bester bekannter Filmautor des Zwergstaates alle wichtigen dramaturgischen Hinweise. Ich sah gestern den schmierigen Kurz bei Armin Wolf im Interview-Schwitzkasten: Kurz ist so glatt und schlau, dass er ihm entkommen konnte. Er wird als Sieger aus der Ibiza-Gate-Sache hervorgehen. Es gibt genug doofe Wähler*innen, keine österreichische Spezialität.

Die “Funke-Mediengruppe” (ehem. WAZ-Konzern) in Österreich – “deutsche Interessen”

Einige Details der österreichischen Abläufe sind bei Detlef zum Winkel/telepolis zu finden, der jedoch einen bösen Flüchtigkeitsfehler macht: die Funke-Mediengruppe sei “SPD-nah”, das hat der ehemalige norddeutsche Linksradikale exklusiv. Für ihn ist vielleicht bis heute der Unterschied zwischen CDU und SPD vernachlässigbar. Der Unterschied zwischen den Familien Brost, Anneliese und Erich (SPD-nah gewesen, Kinder jetzt alle rausgekauft) und der Familie “Funke” ist es nicht. Zu Letzterer gehört neben dem rechten Greis Günther Grotkamp als prominentestes Gesicht Stephan-Holthoff-Pförtner, der Rechtsanwalt des verstorbenen Helmut Kohl, im Hauptberuf einer der grossen Immobilienhaie NRWs. Kurzzeitig war er “Medienminister” der CDU-geführten NRW-Landesregierung. Wie es sich für Mafiosi gehört, konnten er und der Ministerpräsident und Merkel-Parteigänger Laschet zunächst keine “Interessenkollision” erkennen – jedenfalls eher als Lösung, als als Problem. Immerhin kamen sie damit nicht durch. Dass die Funke-Mediengruppe aber in Österreich-Angelegenheiten an einer engen Kooperation mit der Bundesregierung interessiert ist, und umgekehrt – das dürfen Sie und ich als sicher annehmen. Und den einst von der Brost-Familie eingesetzten Verlagsgeschäftsführer Bodo Hombach werden die heutigen Inhaber*innen der Funke-Mediengruppe zur Hölle wünschen, weniger wg. seines opulenten Gehalts, als wegen der Kosten- und Nervenbelastung, die er ihnen aus seinen Österreich-Ungarn-Abenteuern eingebrockt hat.

Meine Verdächtigen für die Ibiza-Affäre: “Unsere”

Mein Hypothese ist: für das Kurz-Erfolgsszenario, auch als Hinweis, falls Herr Schalko über ein Drehbuch nachdenkt, haben die Deutschen gesorgt, die von CDU und CSU, und waren gar nicht so doof dabei, wie sie derzeit aussehen. Darauf brachte mich dieser Hinweis von Georg Mascolo, Chef des sich selbst beständig rühmenden Rechercheverbundes von NDR, WDR und SZ. Wenn Mascolo selbst schreibt, will er die Kontrolle nicht durch Delegation abgeben. Dann geht es um eine Agenda, die ihm und seinen Quellen besonders wichtig ist. Seine Quellen dürften in diesem Fall eher zentristische (Sozis, oder weniger rechte CDUler) Seilschaften deutscher Geheimdienstkreise sein, die noch eine Rechnung mit Klaus-Dieter Fritsche offen haben. Das dürften nicht so wenige sein. Spiegel-typisch kokettiert Mascolo mit dem vorgeblichen Wissen, wann ein “Agent” durch welche Strassen geht und in welches Büro kommt. Überall, wo Fritsche hinkommt, stürzen mittelgross exponierte Politikdarsteller (Bundesminister, Untersuchungsausschussvorsitzende etc.). In diesem Fall ein FPÖ-Innenminister, den er “beraten” sollte. Jetzt ist der Kickl weg. Das wäre meine allererste Interessenidentität mit Fritsche. Die Trump- und Putin-gebeutelte und nicht wenig paranoide Bundesregierung, da könnten sich sogar Merkel und Seehofer einig gewesen sein, wollte die Russland-Verbindung der Regierungs-FPÖ kappen. Wenn bei denen der Hofer gegen Kickl vorrückt, und mit Stimmenverlusten ohne das Ausstossen schmutziger Lieder (oder gar Forderungen) wieder brav beim Kanzlerdarsteller und Wahlsieger in spe unterschlüpft, ist die österreichische Niederlassung der EU-Deutschlandfraktion wieder unter Berliner Kontrolle. Und ein strategisches Vorbild für die Dinge, die nach den ostdeutschen Landtagswahlen kommen, ungefähr ablesbar an den Kommunalwahlen (hier z.B. Sachsen), die gerade ausgezählt sind, und hier im Westen kaum beachtet werden.

PS: was die Deutschlandfraktion in der EU will und nicht will, gabs letzten Dienstag in der Anstalt/ZDF.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net