Deutsche Zeitungsverleger werdens nicht mehr lernen
Rachel Meghan Windsor, geb. Markle könnte u.U. in die Geschichte eingehen, weil sie die Erste war, die es wagte Rupert Murdoch die Stirn zu bieten. Sie will sich den kriminellen “Journalismus” der Sun nicht mehr bieten lassen. Und siehe da, 75 Politikerinnen aller britischen Parteien haben sich mit ihr solidarisiert. Dabei wäre alles ganz einfach. Ich habe es 5 Jahre lang als Mitarbeiter eines Landtagsfraktionsvorsitzenden praktiziert: wenn das Revolverblatt scheissfreundlich am Telefon um exklusive Informationen oder gar ein Durchstellen zum Chef bettelt, ebenso scheissfreundlich rein “termindedingte” Körbe geben – bis sie eines Tages das Anrufen aufgeben.
Deutsche Zeitungszar*inn*en können sich dagegen auf die Servilität aller Parlamentsfraktionen verlassen, selbst wenn sie offen AfD-Propaganda machen. Nicht mehr verlassen können sie sich auf kaufende Leser*innen. Bild, das in den 90ern 5 Mio. Verkäufe meldete, wird spätestens nächstes Jahr unter die 1-Mio.-Grenze fallen. Und das ist gut so.
Dem Aberglauben der Zeitungsmilliardär*inn*e*n zufolge ist das Internet das alles schuld. Und der Mindestlohn (für die Zeitungsbot*inn*en. Also alles in allem: Sozialismus. Jetzt halten sie Paywalls für ihren letzten Rettungsring. Digitale Leser*innen sollen ihnen vor dem Lesen ihre Daten schenken, und dann langsam steigernd mit Abogebühren abgezogen werden. Es sind so wenige, die darauf reinfallen, dass kein Verlag bisher nachprüfbare Daten darüber preisgibt. Daten verschenken sollen nur wir, die Leser*innen – sie dagegen wollen Daten als Vermögen horten. Unter transparenter Mediendemokratie habe ich mir immer was anderes vorgestellt.
Aktuelle Skurrilitäten: in der FAZ erschien heute ein Text von Carolin Wiedemann mit dem Postulat: “Feministischer Porno ist für alle da!” – hinter Paywall, haha. Die Funke-Mediengruppe zeigt bei einem Erstbesuch der Startseite ihres Flaggschiffes WAZ die Paywall (ein rotes “WAZ+”-Quadrat) nicht mehr an, sondern erst nach dem Klick auf den Text. Bis gestern war erst danach sichtbar, dass auf Startseite angezeigten Texte zu 80-90% eingemauert sind. Dieser Effekt ist heute ebenfalls abgeschaltet. Digitale Leser*innen laufen also ständig, ohne es erkennen zu können, gegen die Wand. Wer soll das gut finden, ausser den Milliardär*inn*en der drei Funke-Familienstämme?

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net