weiter unten: Berliner Verleger*innen*ehrgeiz / Flanieren wird lebensgefährlich
Roland Appel und ich hatten uns hier schon über die Bonner Trecker-Demo mokiert. Ahnungslose Städter*innen rätselten in der Kassenschlange, was die wollen: “Ich glaub’ die wollen billigeres Glyphosat.” Susanne Aigner/telepolis erklärt es uns, und betreibt das schon recht kontinuierlich als ihr journalistisches Geschäft. Nach Lektüre ihrer Darstellung bleibt bei mir dennoch der Gedanke hängen: wenn nicht die demonstrierenden Treckerfahrer selbst die Deppen sind, dann sind es doch mindestens die Städterdeppen, die bei ihnen Honorare für Kommunikationsberatung abziehen.
Ganz anders das Berliner Ehepaar Friedrich, das kürzlich diverse Berliner Zeitungen gekauft hat. Verkäufer war das Kölner Verlagshaus DuMont-Schauberg, das, um vermutlich den befürchteten Kostenklotz am Bein wirklich loszuwerden, vor dem Verkauf bereitwillig die Drecksarbeit gemacht hat. Sie machten einfach alle Betriebe und Redaktionen dicht; die Beschäftigten “durften” sich dann bei einer neueröffneten Firma bewerben. Kein Gesetzgeber und keine Medienaufsicht unternahm irgendwas dagegen, kein Pieps, kein Mucks. Der Kostensockel, den die Friedrichs kauften, war also schon eingedampft. In der Printausgabe der SZ (bisher nicht online, daher kein Link, ich habs im Momo-Bistro gelesen) gaben sie nun ein durch und durch sympathisches Interview. Wer immer sie beraten hat, hat das – im Gegensatz zu den Treckerfahrern oben – gut gemacht. Von der Belegschaft seien sie wie “neureiche Ossis” freundlichst aufgenommen worden. Sie kündigen keine Entlassungen an (ist ja schon erledigt), sondern suchen für spezielle Aufgaben sogar Leute. Der überregionale Mantel, der derzeit vertraglich vom “Redaktionsnetzwerk Deutschland” (= Madsack/Hannover) geliefert wird, soll nach Auslaufen wieder in Berlin selbstgemacht werden, mit lokalpatriotischer rhetorischer Petersilie drumrum. Was unten rauskommt, bleibt abzuwarten. Es gibt viele Redaktionen, die schon Schlimmeres erlebt haben.
Gestern erst berichtete ich von meinem zielgerichteten Übertreten von Fahrbahnabgrenzungen als Fussgänger. Heute las ich bei Martin Holland/heise, dass das in Kürze tödlich enden kann. Ein minutiöses Softwareprotokoll eines autonom fahrenden Uber-Fahrzeuges, das eine ihr Fahrrad schiebende Fussgängerin mit Tempo 70 totgefahren hat, ist jetzt nachlesbar. In meiner Fantasie sehe ich die Bosse und Volksumerzieher des chinesischen Social-Credit-Systems ihre Hände reiben. Wer würde noch Verkehrsregeln zu übertreten wagen, wenn die Todesstrafe droht? So ergänzt sich staatliche Repression auf effektive Weise mit der Abschaffung des Verbraucher*innen*schutzes durch die IT-Industrie: alle Produkte werden erst nach Verkauf “am Kunden” getestet.
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