Der Wein verwöhnt Deutschland
In was für einer Paradies-Blase Deutschland lebt, zeigt seinen Bewohner*inne*n der Wein. Zwar lassen deutsche Regierungen und Behörden Flüchtlinge selbst dann nicht rein, wenn sie verhungern, ertrinken oder verbrennen. Aber der Wein darf rein. Und tut es auch.
Vermutlich ist es kein Zufall, wenn die Auslandseinsätze der Bundeswehr in solchen Weltregionen platziert sind, aus denen deutsche Rechtsregierungen besonders viel “falsche”, nämlich Einwanderung von schwarzen Menschen fürchtet. Hier wird, ohne Quellenangabe oder gar Verlinkung von dpa eine neue Studie gemeldet, die dieser Panik eine Stimme gibt. Hier gehts zu einer Selbstdarstellung des Urhebers.
Aber es gibt auch gute Seiten. Rechtzeitig zu den coronabedingten Reisebeschränkungen müssen wir nicht mehr zum guten, sonnenverwöhnten Qualitätswein ans Mittelmeer reisen. Sondern er kommt zu uns.
Ich bekenne, dass ich zu denen gehöre, die in der Coronazeit den deutschen Weinkonsum nach oben getrieben haben. Wenn es weniger zulässige Gründe gibt, rauszugehen, muss ich mir die angenehmsten Bestandteile des Ausgehens eben nachhause holen. Und preisgünstiger ist es auch. Deutschen Weinkonsumstudien entnehme ich, dass ich zu den 9,6 Mio. “Häufig-Trinkern” gehöre, die sich aus ein- oder mehrmaligem Konsum pro Woche definieren. So eine Flasche in meinem Kühlschrank (weiss oder rose) hält sich bei mir eine knappe Woche – im Keller (rot) auch Jahre, mhmm, jam, jam …
Das Rentnerleben kann so schön sein 😉

Lebensfreude am Funktionieren

Der Herr Lobo nennt das “die Freude am Funktionieren”. Das hat er gut beobachtet. Er sieht darin ein Hemmnis des digitalen Fortschritts. Das kann ich bezeugen. Mein Anrufbeantworter hat noch Magnetband-Minicassetten. Er funktioniert seit weit über 20 Jahren. Darum hatte ich seinerzeit keinen – schon verfügbaren – digitalen haben wollen. Ich höre auch noch Radio auf UKW und fahre ein Fahrrad ohne Motor und Navi. Zwar habe ich ein Smartphone, telefoniere damit aber nur, und vergesse es zuhause (am Ladekabel), wenn ich anderen Interessen nachgehe. Als Rentner lasse ich mich nicht mehr zum Multitasking zwingen. Und statt neuer Technik – beratungsbereite und -fähige Fachgeschäfte dafür verschwinden – gebe ich mein knappes Geld lieber für besseren Wein (s.o.) aus – ebenfalls im Fachgeschäft, so lange es noch existiert.
Die IT-Industrie hat uns alte Mehrheit dazu dressiert. Das kommt dann dabei raus. “Schuld” daran sind aber nicht wir Konsument*inn*en, sondern der kapitalistische “Sachzwang” Kosten zu senken und Profite zu steigern. Anders wird mann halt kein Oligarch. Also wird am Kunden * der Kundin getestet, was wie lange funktioniert, und was nicht. In Demokratien habe ich die Chance, mich dagegen zu wehren. Also machichs, und viele andere auch. Das ist Lebensfreude.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net