Radfahrer*innen als Alibi für grosse Übel
mit Update 29.4.
Kürzlich berichtete Britta Schwanenberg in der WDR-Lokalzeit Bonn über geplante Baumfällungen zum Zwecke des Radwegausbaus in der Rheinaue. Heute sehe ich, vor der Paywall nur von GA-Krawalljournalist Holger Willcke angedeutet, dass der Friedhof an der Combahnstrasse und die Häuser an der St. Augustiner Str. nun statt für die angebliche “Beschleunigung” der Linie 66 zugunsten eines Radfahrparadieses fallen sollen. Sie halten uns echt für so bescheuert, dass wir das fressen?
Ich nehme aus Alters- und Luxusgründen nicht an den Videokonferenzen der Vereinigungen teil, denen ich selbst angehöre – in diesem Falle den Grünen und dem ADFC. Darum will ich hiermit klar vermelden: für mich muss kein Baum gefällt, kein Friedhof planiert und kein einziges Haus abgerissen werden.
Ich habe nicht nur inspektionsgeprüfte Bremsen am Rad, für den Fall, das soll ja bei Betrunkenen öfter vorkommen, ein Baum meinen Weg überquert. Ich kann sogar nüchtern meine Geschwindigkeit reduzieren, und um einen Baum herumfahren. Bei Gegenverkehr nutze ich die Möglichkeit, ihm die Vorfahrt zu lassen. Ich weiss, nicht alle können das. Es sind jedoch Schlüsselqualifikationen für das Radfahren, und ausserdem gesetzliche Anforderungen an alle Verkehrsteilnehmer*innen.
Zum nun drohenden Radfahrparadies St. Augustiner Strasse: wie doof und kurzsichtig kann mann/frau eigentlich sein? Oder ist es nur der Willcke (ich kanns ja nicht lesen)? Für die nächsten Jahrzehnte steht Abriss und Neubau des Tausendfüsslers an, ob mit oder ohne Radschnellweg. Wenn der fertig ist, kommt die Nordbrücke dran. Ich rechne damit, dass diese Baumassnahmen den verbleibenden realistischen Rest meiner Lebenserwartung ausfüllen, und tiefe Krater in den öffentlichen Haushalten hinterlassen werden. Doch nicht nur das. Der Autoverkehr, der sich derzeit noch dort entlang quält, wo will der wohl durch? Wo will der über den Rhein? Wo lässt er dabei seinen Lärm, seine Abgase und seine sonstigen Hinterlassenschaften?
Es wird mitten in Beuel sein. Eine Bezirksvertretung Beuel, die sich dagegen nicht wehren will, sollte zumachen, zurücktreten, nach Mallorca flüchten – aber nicht vorgeben, meine Interessen zu vertreten.
Was wäre die Alternative? Ein gerader Rücken, ein Aktionsbündnis mit der OB und dem Stadtrat gegen eine verkehrsamoklaufende NRW-Landes- sowie im vorgestern taumelnde Bundesregierung. Bitte schön, mindestens das.
Und noch ein Hinweis, für den Fall, das ich nur was nicht richtig mitbekommen habe: damit bin ich nicht allein. Die Besserinformierten müssen zur Kenntnis nehmen, dass sie in der Coronakrse in einer noch isolierteren Blase agieren, als sie es sowieso schon taten, und ihre Öffentlichkeitsarbeit, analog und digital, gründlich überprüfen. Gründlich.
Update 29.4.: eine Begründung der Baumfällungen in der Rheinaue findet sich hier. Mir klingt sie als Abwägungsversuch ehrenwert, aber am Ende nicht überzeugend. Und weil ich nicht nur meckern will: diese und diese Initiative in der Bezirksvertretung Beuel erscheinen mir zwar brav formuliert, in der Sache aber komplett richtig – von mir aus gerne radikaler!
Genau an der Stelle, die auf dem Foto im GA-Artikel gezeigt wird, bin ich vor einiger Zeit von einem Lkw um ein Haar erfasst worden. Ich konnte mich im letzten Moment auf den Bürgersteig retten. Autos, die in Richtung Sankt Augustin unterwegs sind, touchieren regelmäßig den Radfahrstreifen. Der vorgeschriebene Mindestabstand von 1,50 Metern wird oftmals nicht eingehalten. Hinzu kommt, dass an dieser Stelle relativ schnell gefahren wird. Insofern wäre es sinnvoll, die Situation für Radfahrer an dieser Stelle signifikant zu verbessern.
Lieber Rainer, das sehe ich ein. Ich fahre dort grundsätzlich kein Fahrrad, aus ebendiesem Grund. Konsequenz kann aber nicht Fahrbahnverbreiterung, sondern Fahrbahnverengung sein, etwa so, wie sie auf der “vierspurigen” Kennedybrücke leidlich funktioniert. Plus aggressivere Kontrollen des aggressiven Autoverkehrs.
Ich verstehe die Klage über das Verkehrswendeprojekt nicht.
An der Sankt Augustiner Straße soll endlich etwas zugunsten von mehr Verkehrssicherheit für Radfahrende und zur Beschleunigung des ÖPNV getan werden, dies zulasten des KFZ-Verkehrs, für den die Verkehrsflächen verglichen mit heute auf jeweils eine Fahrspur pro Richtung reduziert werden.
Ich bitte auch zu bedenken, dass die negativen Folgen des Tausendfüßlerausbaus vor allem im Bonner Norden abgeladen werden, während die gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach Beuel fließen. Damit werden die räumlichen Disparitäten zulasten des sozialstwachen Bonner Nordens noch weiter verschärft. Manch einer im Bonner Norden wäre sehr froh, wenn sich die Grünen mit gleicher Kraft für Verbesserungen im benachteiligten Bonner Norden einsetzen würden.
Liebe Frau Kinzel, einigen wir uns darauf: geteiltes Leid ist in diesem Falle doppeltes Leid. Ich kann auf Autobahnen mitten durch die Stadt ganz verzichten, ich verzichte seit 1978 auf Autobesitz. Und mein Leben hat das eher bereichert. Solange individuelles Autofahren legal ist, kommen wir nicht darum herum, Landes- und Bundesregierungen zu einem schlüssigen Konzept für die Rheinüberquerungen zu zwingen: ohne St. Florian, und ohne Vernichtung noch lebenswerter Siedlungsräume für Mensch, Tier- und Pflanzenwelt.
Und sie haben recht: der von der Stadt durch die Autobahn abgetrennte Bonner Norden hätte mehr Aufwertung und Schutz verdient.
Vor vier Jahren hatte da einer schon mal so eine Idee:
https://extradienst.net/2017/11/10/staedtebauliche-chance-bald-wieder-verbaut-und-zubetoniert/