Hat die Bundeskanzlerin beim EU-Gipfel eine “Niederlage” erlitten, weil der mutmasslich von Frankreich ausgehende Vorstoss für mehr Dialog mit Russland keine Einstimmigkeit im EU-Rat gefunden hat? Das zweifle ich an. Die blutige Nase hat sie Macron sich holen lassen. Oder hat er sie etwa vorgeschoben, weil sie eh bald abtritt? In Deutschland sorgt ihre eigene Regierung mit ihren Spin-Doktor*innen-Legionen für exakt die Debatte, die innerhalb der EU von Polen und den baltischen Staaten befeuert wird, mit einigen atlantischen Strippenziehern, wie dem rechtsliberalen Niederländer Mark Rutte im Hintergrund. Roland Appel hat schon Boris Johnsons Beitrag zur Sache gewürdigt.
Die innerdeutsche Frontstellung markiert eine Buchrezension von Franziska Davies in der SZ, gegen die sich der vieldekorierte Dokumentarfilmer und Autor Hubert Seipel längst nicht mehr bei ARD oder ZDF, sondern bei den bisweilen sektiererischen nachdenkseiten wehren muss. Lesen Sie die Texte selbst, und bilden Sie sich Ihre eigene Meinung. Die Orte, an denen sie erscheinen, markieren aber die Diskursmachtverhältnisse der veröffentlichten Meinungen.
Mit der Mehrheitsmeinung in der Bevölkerung sind sie nicht zu verwechseln. Die will lieber bessere als schlechtere Beziehungen zur Atommacht Russland, und ist damit realistischer, als die selbstreferentielle politische Klasse im Berliner Bezirk Mitte. Dass sich die vorherrschenden Medien davon mehrheitlich abkoppeln, ist nicht gut für sie. Wann werden sie es merken?
Die Argumente sind ok. Das beflissene Anschschmiegen an den Mainstream ist eher merkwürdig. (Welcher Durchblick befähigt den Autor dazu, die Nachdenkseiten als “bisweilen sektiererisch” zu diagnostizieren? Die Hybris der woken Mitte?)
Jürgen Kunze
p.s. Auch ein vereinzelter Stern bleibt störend statt progressiv.
Den “Durchblick” verlieh mir der frühere Mitherausgeber der nachdenkseiten Wolfgang Lieb
https://www.nachdenkseiten.de/?p=28063
den der polemische Kampfbegriff “woke Mitte” kaum treffen kann
https://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Lieb