Und: “Schlagzeuger der Herzen” / Fahrradautobahn-Crashs
Glotzen Sie Bundestagsdebatten? Ich schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Bevor ich mich 1973 politisch organisierte, haben sie mich gefesselt. Reden von Willy Brandt und Walter Scheel erschienen sogar auf Schallplatte. Es wurde TV geguckt, wie heute bei Fussballspielen. Und an Wahlen teilgenommen: über 90%. Heute dagegen würde ich das nicht mehr aushalten. Der Fremdscham würde mich krankmachen. Darum will ich Michael Maier/Berliner Zeitung hier und heute mal besonders danken: für diesen Wutausbruch.
Ich wiederhole aus diesem Anlass meine Empfehlung, die neunteilige Vietnam-Dokumentation von Ken Burns und Lynn Novick anzuschauen (halbes Jahr Mediathek), weil sie fühlbar macht, warum die Weltmächte heute nur noch kontrollierte Bilder in die Öffentlichkeit durchlassen wollen. Maier hat das exzellent erklärt. Wir, die Öffentlichkeit, dürfen uns das nicht gefallen lassen. Und müssen die schützen, die uns unzensierte Bilder sehen lassen, so grausam die auch aussehen mögen. Wer die Welt nicht sehen will, kann sie auch nicht erhalten.
Was die Lobbyknechte unter den Politiker*inne*n mehr interessiert, und ebenfalls bilderfrei trocken berichtet werden muss, lesen Sie hier (Sebastian Borger/FR) beispielhaft über die britische Rüstungsindustrie. Diese Herangehensweise unterscheidet sich nicht wesentlich von der hierzulande. Das ist nicht mein Denken, hoffentlich auch nicht Ihres. Aber es herrscht.
Watts und die Stones
Mehrere Extradienst-Autoren haben eine weit Stones-affinere Lebensgeschichte als ich. Roland Appel und Ingo Arend waren in ihrer Jugend kurze Zeit in einer Amateurband vereint. An einem Kellerkonzert vor 6-10 Zuschauer*innen in der Kaiserstr. 71, dem damaligen Büro der Vereinigten Deutschen Studentenschaften (VDS), war ich zugegen. Ingo war Feuer und Flamme für Mr. Jagger. Jenni Zylka dagegen hat sich in Charlie Watts verguckt, der nun gestorben ist. Ich mochte und mag die Musik der alten Herren. Fan darüber hinaus bin ich nicht gewesen. Aber schön und sachkundig geschrieben von Frau Zylka. Und der tote Mann hats wohl verdient. Vielen hat er viel gegeben.
Die Pest der Beschleunigung – im Radverkehr
In Hessen gibt es ähnliche Konflikte um die Beschleunigung des Radverkehrs wie in der Bonner und Beueler Rheinaue. Wenngleich es in diesem FAZ-Bericht (Hans Dieter Erlenbach) weniger um Baumfällungen geht, als um Flächenkonflikte zwischen den Verkehrsteilnehmer*inne*n, die bewusst auf Autos verzichten. Erkennbar wird: der immer stärker werdende Lobbyverband ADFC, dem ich selbst angehöre, ist endlich auf einer nachhaltigen Erfolgsspur. Das ist gut. Die Interessen der Fussgänger*innen, derer die ihr Leben nicht be- sondern entschleunigen wollen, dürfen dabei aber nicht untergepflügt werden. Dass die Kommunikationsintelligenz der Hessen-Grünen noch viel Luft nach oben hat, ist ja bereits aus anderen Konflikten hinreichend bundesweit bekannt.
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