Wenn aus kapitalistischen Machtzentren rhetorisch mit “Moral”, “Gut” und “Böse” operiert wird, springt immer meine Immunabwehr an. Was mögen sie dieses Mal im Schilde führen? Um das rauszufinden, hilft in der Regel “Verstehen”, eine Tätigkeit, die in deutschen Mediendiskursen auf verräterische Weise in Verruf gebracht wurde. Was ist durch “Verstehen” und den das ausübenden Verstand zu befürchten? Und von wem? Voreilige Gewissheit ist in diesem Zusammenhang übrigens auch eher eine Falle als eine Hilfe. Klüger ist es, den Prozess nie zu beenden: “Der menschliche Erkenntnisprozess ist prinzipiell unabschliessbar.” (Jungdemokraten 1971). Dabei will ich Ihnen mit diesem Beueler Extradienst eine beständige Hilfe sein. Meinung bilden und Schlüsse ziehen müssen Sie selbst.
Wolfgang Pomrehn/telepolis versucht die Position des mächtigsten Landes der Welt zu verstehen: “Ukraine-Krieg: Chinas konsequenter Pragmatismus – Während Brüssel und Washington Beijing im rüden Ton drohen, ist dieses bemüht, sich nicht in den Konflikt hineinziehen zu lassen”. Ich habe schon mehrmals betont, dass ich unter dem chinesischen Regime niemals leben wollen würde. Aussenpolitisch würde ich mir jedoch etwas mehr seiner Weisheit für “unsere” Regierung wünschen. Unterkomplexität züchtet mein Misstrauen, meinen Unglauben.
Unter Chinas oder Russlands Medien wäre ich dem zweifellos ebenfalls ausgesetzt, mutmasslich in weit grösserem, intellektuell verheerenderem Umfang. Einen Beitrag zum Putinverstehen leistet, ohne dass sie den kontaminierten Begriff selbst verwenden würde, die Jungle World (Ewgeniy Kasakow) im Interview mit Fabian Burkhardt: “Der Krieg legt die Schwächen von Putins Regime offen – »Es geht eigentlich nicht um die Nato«. Der Politikwissenschaftler Fabian Burkhardt spricht über die Folgen des russischen Angriffskriegs für das Regime von Wladimir Putin.” In diesem informativen Gespräch erfahren Sie auch mehr über die real existierende russische Opposition – kein schöner Anblick.
Und warum fallen die “westlichen” Sanktionen nicht radikaler aus? Die Antwort hat der real existierende global herrschende staatsmonopolistische Kapitalismus. Der Kanzler weiss, was das ist. Die Andern können Bernward Janzing/taz lesen: “Verträge begünstigen Kriegsstaat: Russland verdient auch ohne Gas – Laut den Gasverträgen müsste auch bei einem Embargo Geld nach Russland fließen. Der Kreml profitiert auch von den hohen Preisen.” (Dank an Heiner Jüttner für den Hinweis!) Wenn ich so verbunkert und in Panik wäre, wie Wladimir Putin uns derzeit hierzulande beschrieben wird, hätte ich “uns” den Hahn schon seit Wochen zugedreht. Die Wirklichkeit ist eben meistens komplizierter. Obwohl sie oft auch noch einfacher ist, als die meisten denken. Jedenfalls unter Männern.
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