Florian Rötzers digitales Overton-Magazin ist die Anstrengung, in der Aufmerksamkeitsökonomie aufzufallen, anzusehen. Sie ist nicht vergeblich, der Chefredakteur ist erfahren genug. Manchmal übernehmen seine Ex-Kolleg*inn*en bei telepolis Texte von ihm. Ihre Anstrengungen, das von ihm hinterlassene publizistische Erbe zu erhalten und adäquat weiterzuentwickeln, dauern an. Ich würde es vorsichtig so bewerten: eine Steigerung stelle ich bisher nicht fest. Aber es ist auch kein leichter Job.
Die Freude an der publizistischen Arbeit eines von Abhängigkeiten befreiten Rentners kenne ich. Und unterstelle eine gewissen Ähnlichkeit bei Rötzer. Als Leser erfreut mich das.
Wolfgang Kubicki (FDP) ist ein Troubleshooter, der, in erarbeiteter materieller Unabhängigkeit durch so manches anrüchiges aber gut bezahltes Anwaltsmandat, auf dem Karussell der Aufmerksamkeitserregung ohne Berührungsängste mitspielt. Das hat er auch hier im Extradienst getan; die Wertschätzung für Klaus Gärtner hatten wir gemeinsam. Wir – Roland Appel und ich – haben sogar gemeinsam mit Kubicki 1977 in Bingen (Hotel Krone) unsere heutigen (sehr!) guten politischen Freunde Hanspeter Knirsch und Michael Kleff aus dem Jungdemokraten-Bundesvorstand zurücktreten lassen. Egon Bahr hatte gerade den späteren Schröder-Spezi Klaus-Uwe Benneter aus der SPD geschmissen, weil der mit Kommunist*inn*en gemeinsam für Abrüstung demonstrieren wollte. Die Mehrheit des Jungdemokraten-Bundeshauptausschusses wollte das danach erst recht – zum damaligen Leidwesen von Hanspeter und Michael.
Dass Kubicki ein Machiavellist ist, war damals schon zu erkennen. Aber die Mehrheiten waren knapp. Eine Achse von NRW und BaWü nahm ihn gerne ins Zweckbündnis auf. Als der gleiche Kubicki Jahrzehnte später dem Antisemiten Möllemann durch dick und dünn die Stange hielt, überkam mich das erste Mal ein tieferes Gefühl der Reue. An Knirsch und Kleff sind seitdem allzu viele von Links nach Rechts vorbeigezogen, so dass sie heute eindeutig verlässliche Freunde sind.
Jetzt hat Kubicki für overton geschrieben, über eine Einladung, die er von Bodo Hombach erhalten hatte. Nein, über den fange ich jetzt nicht wieder an, alte Geschichten zu schreiben. Dann würde ich dieses Wochenende nicht mehr fertig. Und das ist er mir nicht wert.
Zuckermann: Deutsche Ärgernisse Heine und Wagner
Der Andere, den Rötzer – schon länger – gewonnen hat, ist Moshe Zuckermann. Dem ist mit der deutschen auswärtigen Kulturpolitik, die nicht bei Claudia Roth sondern Annalena Baerbock angesiedelt ist, etwas Ähnliches passiert, wie jüngst Extradienst-Autorin Charlotte Wiedemann.
Wieder mal schlägt die Wirklichkeit jede sarkastische Satire.
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