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Putin: Von Stalin lernen, …

… heißt siegen lernen?

Wenige Tage vor dem Überfall auf die Ukraine hielt ein an seinem Schreibtisch fläzender Putin einen Klitter-Vortrag zur russischen Geschichte. Dieser lässt sich auf einen „Lenin schlecht, Stalin gut!“-Nenner bringen: Stalin hat den wenn auch nur formellen Föderalismus der Sowjetunion durch seine faktische Alleinherrschaft ersetzt und damit das alte russische Imperium wiederhergestellt – gut gemacht, Old Joe! An dieses „Verdienst“ versucht Putin anzuknüpfen, um seiner „Spezialoperation“ in der Ukraine ein geschichtspolitisches Framing zu verpassen.

In den so aufgemachten imperialen Rahmen haben sich auch einige Putinversteher im Westen quetschen lassen, nicht jedoch die Ukrainer und Ukrainerinnen, die die ganze Welt überrascht haben. Sie haben mit ihrer Gegenwehr gezeigt, dass es einfach Imperialismus pur ist, was wir von russischer Seite seit dem 24. Februar erleben. Wenn die Ukraine es nicht schafft Putin zu stoppen, dann wird das zweite Viertel des 21. Jahrhunderts in Europa sehr unruhig werden.

aus der FAZ von heute:

„Lenins Nationalitätenpolitik sei für das Schicksal Russlands ‘viel schlimmer als ein Fehler’ gewesen, sagte Putin im Februar. Stalins Vorstellungen dagegen lobte er, bedauerte aber, dass dieser die unter seiner Herrschaft schon leere Fassade des Föderalismus nicht ganz abgeschafft hatte. Diese Darstellung des Gegensatzes zwischen Lenin und Stalin ist wichtig für das Verständnis von Putins Geschichtsbild: Die von Lenin geführte Revolution von 1917 war aus seiner Sicht eine Katastrophe, weil sie das alte russische Imperium zerstörte, in der von Stalin seit Mitte der Zwanzigerjahre immer straffer geführten Sowjetunion sieht er dessen Wiederherstellung. Neu ist diese Sicht nicht: Sie wurde bereits seit den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts von antikommunistischen russischen Emigranten in Westeuropa vertreten, auf deren ideologische Schriften sich Putin und seine Umgebung berufen. Das ist der Grund dafür, dass er 2005 das Ende der Union als die ‘größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts’ bezeichnete – oder als ‘Zerfall des historischen Russlands unter der Bezeichnung Sowjetunion’, wie er im Februar kurz vor dem Überfall auf die Ukraine sagte.“

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Über Reinhard Olschanski / Gastautor:

Geboren 1960, Studium der Philosophie, Musik, Politik und Germanistik in Berlin, Frankfurt und Urbino (Italien). Promotion zum Dr. phil. bei Axel Honneth. Diverse Lehrtätigkeiten. Langjährige Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Referent im Bundestag, im Landtag NRW und im Staatsministerium Baden-Württemberg. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Politik, Philosophie, Musik und Kultur. Mehr über und von Reinhard Olschanski finden sie auf seiner Homepage.

Ein Kommentar

  1. Luck

    Putin hat etwas anders argumentiert, aber wenn man nur eine philosophische Vorbildung hat, klappt das Lesen mit dem Interpretieren nicht so ganz einfach.
    Putin will auch keine Sowjetunion 2.0, denn diese ist kleiner als es das zaristische Russland war, wenn man von den Satellitenstaaten des demokratischen Zentralismus absieht.

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