Nicht nur für den “Fachkräftemangel”: Pro-Migrationspakt mit Afrika (+ Best of 16. Januar 2023)
Es ist ein bisschen mitleidserregend, wie wortreich – und vermutlich mehr für die “eigenen” Inlandsmedien – die Bundesaussenministerin in Asien und Afrika Regimes recht unterschiedlicher Qualität und Ausprägung zu einer Einheitsfront gegen Russland im Ukrainekrieg zu beschwatzen versucht. Es gäbe ein Mittel sie, und mehr noch ihre Bevölkerung zu gewinnen: mit einem gemeinschaftlichen Pakt von EU und AU für eine zivilisierte Migration. Nur am Rande bemerkt: das tiefkatholische und von fundamentalistischen Pfingstkirchen-Konzernen massiv bedrohte Lateinamerika würde auch gerne mehr europäisches Interesse finden. Wenn nicht – es findet Alternativen.
Meine persönliche Augenöffnung Afrika betreffend habe ich hier im Ansatz beschrieben. Diese Migration findet so oder so statt. Und wird es weiter tun. Die Frage, die sich der Politik der Regimes und Regierungen stellt, sind ihre Umstände. Heute sind sie mörderisch. Niemand zählt die Opfer. Sie verrecken in der Sahara, in Sklavenlagern oder ersaufen im Mittelmeer. Nur die wenigsten schaffen es in europäische Abschiebeknäste. Sie suchen, wie alle Menschen, das “Pursuit of Happiness”, verankert u.a. in der US-Verfassung, wie es schon immer alle migrierenden Menschen getan haben. Sie tun es, egal, ob es erlaubt ist oder verboten wird. Es sind die Besten, Mutigsten, Stärksten, die es tun. Männer und Frauen. Und nicht wenige Kinder.
Wer, wie die EU, dieses Problem zu entsorgen versucht, mit militarisierten Aussengrenzen, mit Finanzierung krimineller Söldner- und Sklavenhändlerorganisationen (auch wenn sie, wie in Libyen “Küstenwache” genannt werden), mit dem Durchfüttern und Bewaffnen von Despotenregimes, als Lohn dafür, dass sie ihre Bevölkerung gefangen halten – der*die bekommt nicht nur einen “Fachkräftemangel”, sondern schenkt den wenig attraktiven Regimes von China, Russland, Saudi-Arabien und der Türkei Erdogans unschätzbare strategische Vorteile zur Rekrutierung für ihre reaktionären und religiösen Wahnvorstellungen. Diese EU-Politik ist die beste Mobilisierungshilfe für djihadistische Mörderbanden wie IS und Al Quaida, die ja bisweilen sogar vom guten, wahren und freien Westen instrumentalisiert werden, wenn es gerade mal wieder passt. Wenn ich, nur mal angenommen, Mitglied der Militärjunta von Mali wäre, wäre ich dieses verlogene Pack auch leid. Bin ich zum Glück nicht, und geniesse hier deutsche demokratische Meinungsfreiheit.
Ein solcher Migrationspakt – wir dürften seine Aushandlung den Regierungen und Regimes nicht überlassen. Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen müssten mit an den Verhandlungstisch.
Wer darf/soll ein Recht zur Migration haben? Welche Fähigkeiten und Kompetenzen wären erforderlich? Welche Angebote werden gemacht, um sie zu erwerben? Wie wird migriert? Mit welchen Verkehrsmitteln? Wer übernimmt welche Kosten? Wer sorgt wie für die Sicherheit der Migrierenden, und derer, sie sie transportieren und versorgen? Bereits jetzt gibt es eine florierende Migrationsökonomie. Sie muss legalisiert, gefördert und in humane Kanäle gelenkt werden.
Beide, die Entsende- und Zielländer, können profitieren. Dieser Profit muss gerecht aufgeteilt werden. Die Entsendeländer erleiden einen Brain Drain ihrer besten Leute, erlangen aber ökonomische Stabilität durch das an die Heimatfamilien fliessende Kapital. Die Zielländer gewinnen Fachkräfte in Branchen, für die sie keine Leute mehr haben, und gewinnen kulturelles Kapital, Weltzugewandtheit und verbesserte soziale Beziehungen in Länder, von denen sie bislang gar nicht wussten, wo sie liegen. Die EU wird im übrigen in ihren demografischen Problemen massiv mit China (Wirkung der Ein-Kind-Politik) und Japan (tote Hose beim Sex) konkurrieren. Wer im Konkurrenzkampf um die besten Beziehungen zur Boomregion Westafrika gewinnt, wird ökonomisch auch im Weltmachtstreben siegen.
Wenn nicht ein Weltkrieg begonnen wird – vom wem wohl? – der alle Karten neu mischt, nach militärischen und Atombomben-Kriterien.
Best of 16. Januar 2023
Zum Krieg und seinen Gefahren:
Johannes Varwick/Berliner Zeitung: “Warum Realpolitik im Ukraine-Krieg mich ins Abseits manövriert hat – ‘Wer sich zu weit vom Mainstream entfernt, der wird kaltgestellt’, schreibt der Politikwissenschaftler Johannes Varwick, der für Realpolitik im Ukraine-Krieg eintritt. Ein Gastbeitrag.”
Arno Kleinebeckel/telepolis: “Moskauer Machtspiele: Was bedeutet die Degradierung von ‘General Armageddon’? – Kehrtwende im russischen Ukraine-Kommando: Krieg geht vor Frühjahrsoffensive in neue Runde. Analysten fragen sich: Ist Putins strategisches Ziel überhaupt (noch) der Sieg auf dem Schlachtfeld?”
Alexandria Shaner (Interview)/telepolis: “‘Nicht alle russischen Bürger unterstützen diese Gesetzlosigkeit’ – Ein russischer Friedensaktivist berichtet im Interview über die Situation in seinem Land. Er spricht über ein gedemütigtes Volk, wachsende Unzufriedenheit mit dem Krieg und eine Linke, die nach Orientierung sucht. Wie sähe westliche Solidarität aus?”
Florian Rötzer/overton: “Wurde eine russische Rakete abgeschossen oder war sie auf ein Wohngebäude in Dnipro gerichtet? – Am Samstag wurde im Rahmen eines weiteren russischen Angriffs mit Dutzenden Raketen um 15.40 Uhr ein neunstöckiges Wohnhaus in Dnipro teilweise zerstört.”
Peter Becker/nachdenkseiten: “Zum Krieg Russlands gegen die Ukraine – Ja: Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist ein völkerrechtswidriger Krieg. Aber es ist ratsam, darauf zu schauen, welche Vorteile die USA aus diesem Krieg ziehen und welche Nachteile Europa erleidet.” Diesen Autor habe ich 1974 im Kurhaus Bad Honnef als 17-jähriger Delegierter des Landesverbandes NRW zum Grundsatzreferenten im Bundesvorstand der Jungdemokraten gewählt. Vorsitzender damals: Theo Schiller. Ich bereue nicht.
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