Beueler-Extradienst

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Wo mag er sein?

Wirklichkeitssinn, europäischer – eine Suche im Best of 2. Februar 2023

Mein Freund Andreas Rossmann hat mir heute das beste Stück serviert, von seiner FAZ-Redaktion frevelhafterweise digital eingemauert. Er legte zu dem kürzlich festgenommenen Mafioso Matteo Messina Denaro Informationen aus den italienische Medien nach, die aufklärerisch und aufschlussreich sind: “Sizilianische Mafia : Wollte der Superboss sich erwischen lassen? – War die spektakuläre Festnahme von Matteo Messina Denaro ein Fahndungserfolg der Polizei? Oder wurde er vielmehr von anderen Mafiosi genötigt, sich erwischen zu lassen? Mit seinem Wissen könnte er jedenfalls ein politisches Erdbeben auslösen.”

Rossmann beschreibt, wie Denaro die regionale Ökonomie unterwandert und sie gewogen gemacht hat. Gemeindesteuern wurden bestreikt, und der Don sprang als edler Spender ins finanzielle Vakuum der Pleitegemeinden. Rossmann zitiert u.a. Roberto Scarpinato, Ex-Antimafia-Staatsanwalt und heute Mitglied des italienischen Senats. Denaro habe „auf höchster Ebene Schutz genossen, der über den der Mafia hinausgeht, nicht so sehr von Politikern (‚die kommen und gehen‘) als von Polizei und Geheimdienst, in deren Apparat es ganz viele treue Staatsdiener, aber eben auch Kräfte gibt, die nicht der Verfassung verpflichtet sind, sondern sich an den Interessen anderer Machtzentren ausrichten“. Dä. Wie mag das wohl bei uns sein?

EU-Kommission hat Angst vor USA

Am Wirklichkeitssinn der EU-Kommission zweifelt Eric Bonse/taz und ist damit nicht allein: European Green Deal: Zum Nachteil kleiner Länder – Die EU-Kommission will nationale Subventionen erlauben, um die grüne Transformation zu beschleunigen. Dabei riskiert sie die Solidarität unter den Mitgliedern.” Unschwer zu erkennen, wie der deutsche Elefant den europäischen Porzellanladen zerdeppert. Es bleibt die Frage offen: mit Absicht oder aus Blödheit? Ich fürchte, das mischt und verstärkt sich gegenseitig, in unseliger Dialektik.

Dieser Eindruck wird verstärkt durch die krampfhafte Inszenierung des “EU-Gipfels” in der Ukraine, die Thomas Pany betrachtet: Große EU-Delegation im Kriegsland Ukraine: Der nächste Anlauf – Wann klappt der EU-Beitritt? Ukrainische Regierung erwartet einen ‘substanziellen Schritt’ nach vorn. EU verspricht mehr Geld und mehr Ausbildung von ukrainischen Soldaten an Kampfpanzern.”

Bernhard Gulka/telepolis berichtet über den Krieg aus russischen Quellen: Kreml: 9.000 Russen unrechtmäßig in den Krieg geschickt – Erstmals nennt der Kreml eine offizielle Zahl der “fehlerhaft” einberufenen Russen. Die Rede ist aber nur von solchen, die inzwischen zurückkehrten. Gefallene wurden demnach gar nicht mitgezählt.” Flüchtige Kriegsdienstverweigerer werden – mal wieder – von niemandem geschützt (ausser hierzulande z.B. von Connection e.V.). Oligarch*inn*en dagegen verfügen über die notwendige Infrastruktur (s.o. Signore Denaro), wie der Genosse Klaus Vater hier aus Bonn bei bruchstuecke.info zurecht beklagt: “Finanzen/Krieg – Villa in Berlin-Schmargendorf, Raketen auf Kiew”.

Jürgen Hübschen/overton, selbst aktiver Militär gewesen, hat für uns das heute-journal geglotzt, und ist von der dargebotenen journalistischen Leistung nicht überzeugt worden: ‘Kriegsberichterstattung’ im Fernsehen – Information, Meinungsmache oder Verdummung der Bevölkerung? – Mit der Dauer des Ukraine-Krieges nimmt auch die ‘Kriegsberichterstattung’ im deutschen Fernsehen zu. Stellt sich die Frage: Warum?” Vorsichtige Hypothese (ich habs nicht selbst gesehen, und habe auch nicht die Absicht es zu tun): das nähert sich an russisches Niveau (s.o. Gulka).

Polens PiS-Rolle

Warnhinweis: nach meinem gestrigen Ventilieren eines Übel-Szenarios zu Frankreich, wird dieser Spin hier weitergedreht. Der Vormarsch der rechten Rechtsreaktionäre in EU-Europa, begünstigt durch Selbstzerlegung der Linken und Liberalen, ihrer Demobilisierung und sinkender Wahlbeteiligungen, ist keine abstruse, sondern wirklichkeitsnahe Vorstellung, wie Florian Rötzer/overton aufmerksam beobachtet und berichtet: Separatistische Kampagne zur Auflösung des russischen Vielvölkerstaats – In Brüssel hat eine Konferenz der rechten EKR im Europaparlament versucht, Unabhängigkeitsbewegungen russischer Minderheiten gegen das ‘imperiale Russland’ zu stärken.”

Freundliche Hypothese: ist die polnische PiS eine Agent-Provocateur-Truppe von Putin? Der steckt ja quasi hinter allem.

EuGH-Urteil Spanien vs. Katalan*inn*en hat wieder keine*r gelesen

Das meint Ralf Streck/telepolis und hilft quellengestützt und zitatenreich weiter:EuGH-Urteil: ‘Komplette Niederlage’ für Spanien – Europäischer Haftbefehl und Auslieferung von katalanischen Exilanten: Wie die Regierung in Madrid mit ihren politischen Wünschen am Europäischen Gerichtshof scheiterte.” Freundlichste Hypothese: für drei – immerhin auf deutsch übersetzte – Seiten Pressemitteilung haben deutsche Journalist*inn*en viel zu wenig Zeit. Eng beschrieben, kleine Buchstaben, es gibt so viel, was wichtiger ist …

Deutsche Gaspolitik

Jutta Blume/telepolis nimmt streng fachlich, mit der Quelle Agora-Energiewende, die Gaspolitik der Bundesregierung, dort vertreten von Robert Habeck in einem recht schwierig zusammengesetzten Bundesministerium, auseinander: Netzentwicklungsplan: Bedenkliche Überschätzung des Gasbedarfs – Energie und Klima – kompakt: Kritik von Klimaschützern an Planungen für Gaswirtschaft. Angenommener Bedarf sei zu hoch, geplante Infrastruktur überdimensioniert. Umsetzung würde erhebliche Probleme schaffen.” Hypothese – freundlichere Variante: da hat die interessierte Kapitallobby “die Politik” mal wieder nach Strich und Faden über den Tisch gezogen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

Ein Kommentar

  1. Helmut Lorscheid

    Für Bonner vielleicht interessant, einer der juristischen Berater der Katalanen ist der in Bonn weiterhin in Sachen Mieterschutz und Sozialberatung langjährige Kommunalpolitiker und MdL “Felix” – Bernhard von Grünberg.

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