Gibt es noch eine liberale Partei in Deutschland? Nein, muss die eindeutige Antwort lauten. Denn alles, was einmal den politischen Liberalismus ausgezeichnet hat, der Einsatz für Grund- und Freiheitsrechte, für -ja- soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit, für wirtschaftliche Vernunft gepaart mit wissenschaftlicher Kompetenz, mit aufklärerischem, rationalem Bewusstsein, statt ideologischer Gläubigkeit,  und den berühmten “Mittelstandsbauch”, ist vergessen und in der praktischen Politik der FDP nicht einmal mehr in Spurenelementen nachweisbar.

Das beginnt bei den Grund- und Bürgerrechten. Die FDP, einst für Grundrechte stehend, zu denen auch das Asylrecht gehört, schweigt zur Europäischen Abschottungspolitik gegen Flüchtlinge, und trägt mit, dass aktuell nicht einmal Flüchtlinge aus den Erdbebengebieten in Syrien nach Deutschland einreisen dürfen – anders als Menschen aus der Türkei. Perverse Begründung: da ihre Heimat so restlos zerstört ist, dass sie auf absehbare Zeit keine Rückkehrperspektive mehr haben, wird ihnen anders als den türkischen Leidensgenoss*inn*en die Einreise von vornherein verweigert. Hinzu kommt, dass sie als Bürgerkriegsflüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention, sind sie erst einmal hier, nicht mehr abgeschoben werden können. Das ist die Handschrift der SPD-Innenministerin Faeser, und Grüne wie FDP tragen diese Unmenschlichkeit mit.

Zankapfel Energieerzeugung

Mit ihrem Kasperletheater zur Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken haben die FDPler nicht nur sicherheitstechnisch, sondern vor allem ökonomisch auf einer längst überkommenen und unwirtschaftlichen Technik beharrt. Jede Stunde, die AKWs in Deutschland länger laufen, blockieren sie nämlich ökonomisch, dass sich die Investitionen in Erneuerbare rechnen. Tage-, ja Wochenlang, standen auch 2022 ganze Windparks still, wurden die Energiemühlen trotz Wind auf Segelstellung gefahren, weil der überschüssige Atomstrom die Einspeisung von Ökoenergie blockierte. Wider alle Vernunft und die eigene Koalitionsvereinbarung kämpft die Partei der vorwiegend rückwärtsgewandt denkenden Männer damit die Energiewende, die zu beschleunigen angesichts der Krieges Russlands in der Ukraine überaus geboten ist, und fügt damit dem Land Schaden zu.

Gegen die Physik beim Verbrenner-Aus

Die sich so gerne angeblich wissenschaftlich gebende FDP entlarvt sich selbst beim aktuellen Kampf gegen das Aus für Verbrennungsmotoren im Staßenverkehr als ideologisch vorgestrige Märchenpartei. Denn es ist reine Physik, die in der Energiebilanz für batteriebetriebene Elektromobilität spricht, und gegen den Verbrennungsmotor mit E-Fuel. Das Spiel mit den synthetischen Kraftstoffen ist so alt wie  unökonomisch. Schon im 2. Weltkrieg wurde der Kraftstoff für Hitlers Panzerarmeen mangels Zugang zu Erdölfeldern nach dem Fischer-Tropsch-Verfahren aus Steinkohle synthetisiert. Dies ist ein thermisch aufwendiger Prozess, der mehr Energie erfordert, als am Ende in Form von Kraftstoff entsteht.

DaimlerChrysler, Volkswagen und ein Millionen-Subventionsgrab

Ende der 90er Jahre experimentierten DaimlerChrysler und Volkswagen mit der indischen Jathropha-Pflanze, die auch auf salzwasserverseuchten Böden wächst – am Ende kam kein Tropfen Biofuel dabei auf den Markt. 2004 bei den “UN-Renewables” in Bonn verkündeten dann DaimlerChrysler und Volkswagen “SUNfuel” als neue, gemeinsame Kraftstoffstrategie für Biodiesel aus Holzabfällen und Stroh. Ein Bericht des Deutschlandfunk von 2003 verdeutlicht die damals völlig überzogenen Erwartungen. In die Firma Choren in Sachsen flossen hunderte Millionen Euro an Subventionen der Bundesregierung, um das alte Fischer-Tropsch-Verfahren wieder aufzuwärmen und umweltfreundlich umzustricken.  Wieder endeten die Versuche im ökonomischen Desaster, nachdem der Multi Shell Choren aufgekauft hatte. Trotz dreistelliger Millionensubventionen sind keine fünf Liter bezahlbares  “SUNFuel” in einen Fahrzeugtank gelangt.

BMW blendete 2000 einen grünen Parteitag

Gleichzeitig startete BMW ein unökologisches Ablenkungsmanöver, indem Wasserstoff in einen konventionellen Kolbenmotor gefüllt wurde. Ein entsprechender 5er Prototyp schaffte es sogar als Ausstellungsstück auf den Atomausstiegs-Parteitag der Grünen 2000 in Münster. Dass der Betrieb mit Wasserstoff die Effizienz und den Wirkungsgrad des Verbrennungsmotors drastisch herabsetzt und bei Herstellung, Lagerung und Transport bis zu 80% des Wasserstoffs verloren gingen, unterschlug der Bayrische Premium-Hersteller geflissentlich. Doch all dies ist längst als “Greenwashing” entlarvt worden. Die Geschichte des Verbrennungsmotors und sogenannter E-Fuels ist eine bunte und vielfältige Mischung von Fehlschlägen, physikalischen und ökonomischen Sackgassen. Das aktuell wieder mit Millionensubventionen geförderte Experiment ist im Kern nichts anderes, als seine jahrzehntealten Vorläufer*innen. Das Festhalten der FDP beruht auf einer kruden Mischung von ideologischer Verblendung, und ökonomischer Ignoranz, naturwissenschaftlichem Unwissen und bewusster Täuschung der Öffentlichkeit aus rein parteipolitischer Profilierungssucht.

Skurriles Nachkarten einer längst gewendeten Autoindustrie

Die strategische Entscheidung für Elektromobilität hat sich die Autoindustrie nicht leicht gemacht. Volkswagen und Mercedes-Benz haben sich schon 2018 endgültig für die Wende zu Elektromobilität entschieden, die seitdem tiefgreifende Strukturveränderungen nach sich zieht. So fallen allein bei Mercedes von Stuttgart-Untertürkheim bis Esslingen 25.000 Arbeitsplätze weg, die vormals der Entwicklung und dem Bau von Verbrennungsmotoren und Getrieben dienten. Schon vor zwei Jahren wurden deshalb mit der IG Metall Vereinbarungen über sozialverträglichen Personalumbau getroffen, die nicht mehr reversibel sind. Dasselbe trifft für Volkswagen zu. Allein BMW zögert bei der ausschließlichen Ausrichtung auf E-Mobilität. Aber selbst wenn es für das Nischenprodukt Verbrenner noch Nachfrage gäbe, käme das Aufrechterhalten paralleler Entwicklungs- und Produktionsstrukturen etwa der Beschäftigung des Dampflok-Heizers auf der Elektrolok gleich.

Wirtschaftliche Inkompetenz gepaart mit Profilneurose

So reduziert sich das Manöver von Volker Wissing, den EU-Beschluß zum Auslauf der Zulassung für Verbrenner nachträglich zu torpedieren, auf eine sachfremde, wissenschaftlich und ökonomisch nicht haltbare Showveranstaltung zur Verdummung des Publikums. Auf Kosten der Energiewende und ohne Vernunft, Maß und Ziel. Die sinkenden Umfragewerte der FDP und der Rausschmiss aus weiteren Landtagen werden durch solchen Unsinn nicht aufzuhalten sein. “Liberalismus ist der Aufklärung verpflichtet und trifft seine Entscheidungen jenseits von Aberglauben und Vorurteilen…” schrieb einstmals Karl-Herrmann Flach, von 1969-1972 Generalsekretär der FDP, als sie noch liberal war.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net