Die Welt der gedruckten Zeitungen verursacht ein Stürmchen im Wasserglas
Sinkende Tanker mögen für die Welt an sich eine Kleinigkeit sein. Für Umwelt und Ökosysteme dagegen können sie sich zu Katastrophen auswachsen. Müssen sie aber nicht zwangsläufig. So ist es auch mit gedruckten Zeitungen, in Deutschland und anderswo. Lange waren sie nützlich, insbesondere für bürgerliche Revolutionen und die Erschaffung der neuzeitlichen Demokratie. Viel von diesem Nutzen haben sie verloren, weil sie ihn mit anderen Medien teilen mussten. In erster Linie aber aus eigenem Verschulden.
Das können die weniger als ein Dutzend superreichen Verlegerfamilien aber öffentlich nicht zugeben (intern wissen sie es selbst, die sind ja nicht doof). Nun standen sie bei der Ampelkoalition auf der Matte. Ihre Profite haben sich stark verringert. Wie immer haben sie das nach unten weitergereicht: Arbeitende rausgeschmissen, Nocharbeitende immer prekärer beschäftigt und schlechter entlohnt. Ganz unten: die Zeitungsbot*inn*en. Die waren schon immer so schlecht entlohnt, dass die Einführung des Mindestlohns für ihre arbeitgebenden Milliardär*inn*e*n einer “Katastrophe” gleichkam. Nun kam auch noch dazu, dass die Abonnent*inn*en ihnen ebenfalls in Scharen davonlaufen (wie ich; oder wegsterben, wie die meisten).
Nun müssen die von Verarmung und sozialem Abstieg bedrohten Milliardär*inn*e*n Mindestlohn für immer weniger verteilte Zeitungen bezahlen. Wer soll das bezahlen? Nach Meinung der superreichen Familien Springer, Funke, Mohn, DuMont u.a. soll das natürlich die*der Steuerzahler*in, vertreten durch die Bundesregierung. Natürlich? War das bis vor Kurzem nicht. Denn der Staat ist für Superreiche weltweit der Zwillingsbruder des Satans, immer mit drohendem Sozialismus im Hintergrund. So verklagen die Verlagsclans bis heute erfolgreich Städte, die mit homöopathischen Dosen versuchen, lokale Öffentlichkeiten aufrechtzuerhalten, wo private Verlage eine Lokalredaktion nach der anderen vernichten.
Ok, Sie selbst als Leser*in haben von alldem nichts gemerkt. Weil Sie keine Zeitung mehr lesen. Oder jedenfalls solche Artikel nicht, mit denen z.B. der Verleger-Kreuzzügler Hanfeld/FAZ sein immer langweiligeres FAZ-Feuilleton vollmacht.
Ja, es entsteht eine Lücke durch die Vernichtung der Zeitungen. Die vernichtet aber keine bösartige Regierung, sondern es sind die Eigentümer*innen selbst. Ihre jahrzehntelang andauernden Profite haben sie nicht nur satt und zufrieden, sondern auch dumm gemacht. Keine Idee für die Zukunft. Ihre Vermögen genügen, um noch zahlreiche Enkelgenerationen durchzufüttern. Aber Arbeitende (oder gar Denkende) füttern – nein, das können sich Deutschlands dumme Milliardär*inn*e*n nicht mehr leisten.
Gesetzgeber! Jemand zuhause?
Wie die wachsenden Lücken füllen? Niemand hat die Patentidee. Aber es gibt elementare Erkenntnisse, die freilich zu dem, was gewöhnlich hierzulande für “Medienpolitik” gehalten wird, noch nicht vorgedrungen sind. Journalismus als Lebenselement demokratischer Öffentlichkeit muss “gemeinnützig” werden. Es gibt Reiche, die dafür spenden würden. Die Ersten betreiben schon entsprechende Stiftungen. Das muss ausgeweitet und popularisiert werden. Das ist allemal förderungswürdiger, als, wie es die meisten Verlegerdynastien tun, ihr Vermögen Benko-ähnlich in Immobilien zu parken.
Öffentliche Körperschaften auf kommunaler Ebene müssen medienaktiv werden. Dafür müssen gesetzgeberische Voraussetzungen erst noch geschaffen werden, damit milliardärsfromme Gerichte solche Versuche nicht mehr killen. Selbstverständlich darf das nicht zu “Bürgermeistermedien” oder parteifrommer Langeweile mutieren. Das wäre zu Erfolglosigkeit verurteilt, und am Ende nur teuer. Darum muss der Gesetzgeber auch für diese Ebene Staatsferne sichern, wie sie zwar keine einzige Landesregierung, und nur die wenigsten Intendant*inn*en, aber beständig das Bundesverfassungsgericht verteidigt.
Es gibt lebendige Stadtgesellschaften, insbesondere hier in Bonn, die interessantere, spannendere Medien betreiben könnten, als die Rheinische-Post-Gruppe.
Damals, vor langer Zeit, als der Intelligenzzwang aufgehoben wurde, war das der Startschuss für die freie Presse. Drehen wir die Zeit zurück, es gibt in jedem Kreis nur noch eine Zeitung, in der alle amtlichen und alle privaten Anzeigen zuerst veröffentlicht werden müssen, dazu journalistische Beiträge und Meldungen aus nächster Umgebung und ein bundesweiter Mantel Europa und die Welt aus einer Redaktion, zusammengesetzt in Anlehnung zu den öffentlich-rechtlichen Anstalten.
Und dann? Behaupten private Verleger, sie könnten das besser. Na, dann nix wie ran, ich meine die Wiedereinführung des Intelligenzzwanges, dann müssen sich private Verleger was einfallen lassen. Und wenn nicht? Dann ist der Verlust doch nicht so groß…
Und ja, es muss sich etwas ändern, aber nicht mit Strategien aus: wie reite ich ein totes Pferd. Ebenso unsinnig auf Züge aufzuspringen, die längst abgefahren sind.
Eine Lösung habe ich auch nicht, aber ich wäre bereit daran mitzuarbeiten – nur sollte der Ansatz näher an einer Utopie sein, als an der Realität, das würde prickeln!