Friedensinitiative auf der Suche
Anfang April lud die Initiative „Appell gegen Hochrüstung und Krieg“ zu einer Veranstaltung mit dem Titel „‘Zeitenwende‘ und Militarisierung der Gesellschaft – auf wessen Kosten?“ ins Düsseldorfer DGB-Haus ein. Es kamen etwa 75 Menschen, zum überwiegenden Teil ältere Jahrgänge und circa zehn junge Menschen.
Die Referentin dieses Abends Gabriele Schmidt, verdi-Landesbezirksleiterin in NRW, begann ihren Vortrag mit einer politischen Einordnung des Themas unter der Überschrift: Warum gibt es Kriege? Einen Schwerpunkt legte sie auf den Zeitraum nach der Zeitenwende von 1989/90. Die neue „Zeitenwende“ startete ihrer Meinung nach deutlich vor dem 24. Februar 2022. Vielseitiger Druck hin zu mehr Aufrüstung und intensive Lobbyarbeit hätten den Krieg vorbereitet. Zudem seien alle Warnungen in den Jahren und Monaten vor Russlands Angriff auf die Ukraine in den Wind geschlagen worden.
Nach den Beschlüssen zum erweiterten und unbegrenzten Sondervermögen für massive Aufrüstung in Deutschland stellt sich ihrer Meinung nach die Frage, wer dies bezahlen soll. Sie befürchtet ein „kaputtes Land“, nicht mehr erreichbare Klimaziele sowie eine zunehmende soziale Ungerechtigkeit in unserem Land. Den Gewerkschaften komme die Aufgabe zu zu definieren, für welche Zwecke das Sondervermögen für Infrastruktur ausgegeben werden soll. Sie sollten einen Gegenentwurf zur erwarteten Regierungspolitik entwerfen und es müßte die von verdi in NRW in Planung befindliche Kampagne zur Daseinsvorsorge konkretisiert werden. Danach stellte sie die Beschlusslage des verdi-Kongresses 2023 dar. Sie wies auf interpretierbare Spielräume hin, die sie und andere für friedenspolitisches Handeln nutzen würden.
Das Interesse zu diskutieren war groß, es beteiligten sich viele Anwesende, nicht alle kamen zu Wort. Eines der wiederkehrenden Themen war der Zustand der Friedensbewegung, der sich so deutlich von dem der 1980er Jahren unterscheidet. Wo bleiben die Menschen und vor allem die Jungen, die sich gegen die neue Aufrüstung engagieren? Welche Rolle können und sollen die Gewerkschaften spielen? Die Referentin meinte, diese hätten die politische Diskussion in den Jahren nach 1990 vernachlässigt; zudem sei die Diskussionbereitschaft in allen Gruppen der Gesellschaft gesunken. Nicht zuletzt halte heute kaum jemand eine Veränderbarkeit der Gesellschaft mehr für möglich. Eine jüngere Diskutantin äußerte, junge Menschen seien enttäuscht sowohl von den Gewerkschaften als auch von der Friedensbewegung, weil von beiden weder die richtigen Fragen gestellt noch orientierende Entwürfe angeboten würden. Ein anderer junger Diskutant bezweifelte, dass die Aufrüstung im Interesse der Mehrheit erfolge und fragte nach Möglichkeiten, sich gemeinsam wehren zu können. Es folgten Vorschläge, sich am Ostermarsch zu beteiligen oder in den Gremien der Gewerkschaften Positionen gegen die weitere Militarisierung einzubringen.
2025 ist nicht 1979 und schon gar nicht 1983. So vielfältig sind die Zugänge, so gestreut und so wenig entwickelt und umstritten die Vorstellungen in der Friedensbewegung. Das Hoffen auf eine Wiederkehr der damaligen Stärke darf die Analyse der aktuellen Lage und der Bedingungen für Alternativen zur Aufrüstungspolitik der Regierung nicht behindern. Die Friedensbewegung ist politisch zersplittert, für viele Menschen wenig attraktiv und nicht in der Lage, mit überzeugenden Forderungen und Konzepten erfolgreich agieren zu können. Die Klimakrise und die weiter wachsende Kluft zwischen Arm und Reich erfordern ebenfalls dringend das Engagement von Bürgerinnen und Bürgern. Zu alledem bläst den Aktiven der Gegenwind aus Politik und Medien viel rauher und geballter entgegen als in früheren Zeiten. Das macht die Überzeugsarbeit und das Mitmachen beim Schaffen einer politischen Gegenöffentlichkeit spürbar schwerer – bleibt dennoch alternativlos, vor Ort, landes- und weltweit.
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