Wundersame Bahn CLIX
Manche Kommunalpolitiker in manchen Städten denken mit. Einige denken sogar voraus. Ich habe ein Beispiel kennengelernt, Kreuztal. Kannte ich nicht, bis ich in dessen “Kunstbahnhof” eingeladen wurde. Zuvor hatte ich Kreuztal für einen Stadtteil von Siegen gehalten. Sabine Helsper-Müller, eine Künstlerin, die ich bisher als Malerin kannte, stellte dort Fotos aus. Schon die Öffnungszeiten hatten mich verwundert. Ihr “Szenenwechsel 61” ist nicht nur fast zwei Monate lang zu sehen – vom 17. August bis 13. Oktober 2023, sondern auch lange am Tag, nämlich von 06:30 Uhr in der Frühe (für Frühpendler) – bis 10:30 Uhr und nachmittags für die nach hause Kommenden von 14:30 bis 18:30 Uhr.
Das hängt sicherlich mit dem Ausstellungsort zusammen – eben dem Kulturbahnhof. Und den gibt es, weil die Kreuztaler Stadträte klug gehandelt und den Bahnhof gekauft haben. Die Ausstellung ist nicht groß, sie umfasst nur den Durchgang vom Eingang des Bahnhofs bis zu den Gleisen. Aber dort gibt es derzeit gute Fotokunst zu sehen. Nebenan gibt es ein gutes italienisches Restaurant.
Die Stadt Kreuztal hat ihren Bahnhof renovieren lassen, er war, wie die meisten Bahnhöfe in diesem unserem Land, ziemlich heruntergekommen. Ein ebenfalls mitdenkender Kulturdezernent, Michael Townsend, rettete den Desler Park und die dort befindlichen Villen. Die weiße Villa steht heute für Musik und Theater zur Verfügung und in der gelben Villa befindet sich eine weitere Errungenschaft der Stadt, die Kunstsammlung Kreuztal. Durch die führte mich der Initiator der Sammlung, der Architekt, Kunstfreund und (FDP)-Stadtverordnete Frank Frisch.
In der Sammlung prominent vertreten sind die beiden Künstler, die die beiden großzügigen Ateliers im ersten Stock des Bahnhofgebäudes gemietet haben, Annette Besgen und Ulrich Langenbach Langenbach ist bildender Künstler und Musiker.
Vor 13 Jahren mussten die beiden, damals bereits recht bekannten Kunstschaffenden aus ihren Ateliers in einer alten Schule in Siegen weichen, weil das Gebäude abgerissen wurde. In Siegen war, trotz aller Bemühungen auch der Siegener Kulturamtsmitarbeiter nicht schnell genug ein Ersatz zu finden. Da erhielten sie vom kreuztaler Kulturdezernenten Townsend ein Angebot, dass sie einfach nicht ablehnen konnten.
Townsend hatte den Kauf des Bahnhofgebäudes durch die Stadt Kreuztal mit veranlasst und bot ihnen an, die obere Etage nach ihren Vorschlägen zu zwei Ateliers auszubauen. Ein Traum von Atelier- Fenster und Wände wurden nach den Bedürfnissen der Künstler gebaut bzw. verändert. Vvor dem Kunstbahnhof in Kreuztal befindet sich ein Gemeinschaftswerk von Besgen und Langenbach – der Kofferturm.
Übrigens verlief meine Reise nach Kreuztal zur Vernissage fast störungsfrei. Insbesondere die Rückreise war deshalb sehr schnell und gleichzeitig entspannend, weil das bahneigene System aufeinander abgestimmter Verspätungen es mir sogar ermöglichte, in Siegen den laut Fahrplan längst auf der Fahrt nach Aachen befindlichen RE zu erreichen. So konnte ich ohne Wartezeiten und Umstieg von Au/Sieg bis Bonn fahren. So ist das in Deutschland.
Aber noch besser als vor gut 50 Jahren in Marokko. In einem kleineren Ort erkundigte ich mich bei einem Bahnmitarbeiter, wann der Zug nach Fes fährt, die Auskunft des Mannes lautete “heute”. Ich war einigermaßen überrascht über diesen Bescheid, schließlich war noch früher Morgen. Doch der Mann sollte Recht behalten, der Zug kam noch am gleichen Tag allerdings etwas später – so gegen 23.00 Uhr. Da ist die DB heute doch viel schneller, jedenfalls oft. Obwohl, gestern traf ich einen jungen Mann im Zug, der war schon ziemlich fertig, es war gegen 18 Uhr und er versuchte seit fast 5 Stunden von Bochum nach Aachen zu kommen.
Dieser Text lässt einen vom Bahnhof Beuel träumen. Andererseits ist die Vergammelungs-Politik der DB nicht einzusehen, und darf nicht noch begünstigt werden. Die in Berlin versuchen immer, den Kostendruck nach unten weiterzugeben. Darum bin ich nicht dafür, dass die verschuldete Stadt der verschuldeten Bahn die Gammel-Immobilie abnimmt. Es sei denn, die Bahn legt noch was für die Sanierung dazu.
Lieber Martin,
daran habe ich auch gedacht – der Bahnhof Oberkassel ist ja zumindest vernünftig kommerialisiert worden. Finde ich nicht gut – aber besser als vergammeln. Königswinter läuft auch gut. Linz ist noch Mist. Beuel geht gar nicht. Vor einigenJahren hat die Bahn die Gebäude den Kommunen sehr günstig angeboten. Da hatte Bonn auch noch mehr Geld zu dieser Zeit.