Nach Ostersperrungen nichts besser – oder doch? Wundersame Bahn CLXXXIX

Auf eine österliche Familienkonferenz hatte ich verzichtet. Die Deutsche Bahn hatte das unbedeutende kleine Bundesland NRW zwei Wochen stillgelegt: Brückenbauarbeiten in Duisburg-Kaiserberg. Nach den Osterferien, wenn das Volk wieder an die Werkbänke und Schreibtische zurückstrebt, sollte alles wieder “normal” fahren. Normal bedeutete gestern konkret Folgendes.

Nach meinen persönlichen Erfahrungen gelang eine Hinfahrt ins Ruhrgebiet am Nachmittag besser, als die abendliche Heimfahrt nach Bonn-Beuel. Also wollte ich mit dem 49€-Ticket und dem bewährten RE5 hinfahren, und erwarb für die abendliche Rückfahrt mit meiner Noch-Bahncard50 ein IC-Ticket. Zumal für den IC die für mich vorteilhafte Umleitung über Beuel versprochen war – in rekordverdächtiger 1 Std. 5 Min. von Essen Hbf. bis zu den Überresten des Bhf. Beuel.

Der RE5 nach Wesel startete im Bonner Hbf. pünktlich. Wegen des “digitalen Stellwerks” in Köln, das mit seiner vieljährigen Bauzeit eine zweite “S13” zu werden verspricht, war angekündigt, dass an keinem Kölner Bahnhof angehalten, sondern umgeleitet werde – nächster Halt nach Brühl Leverkusen-Mitte.

In Köln nicht anhalten – das müsste vieles beschleunigen. Dachte ich. Irritiert war ich nur darüber, dass die Massen an Fahrgästen keinerlei Anstalten machten, in Brühl auszusteigen. Der Zug war also voll, inkl. Stellplätzen, ganz ohne Kölner*innen. Soso, dachte ich auf meinem Klappsitz neben der Toilette.

Nachdem wir den Güterbahnhof Köln-Eifeltor und die neben uns liegende Indianersiedlung, in der unser Gastautor Hans Conrad Zander sein idyllisches Anwesen bewohnt, passiert hatten, bogen wir rechts ab auf die schönste aller Kölner Brücken, die Südbrücke. Nach der Brücke stoppte der Zug (Betreiber im Auftrag des Verkehrsverbundes Rhein-Sieg: National Express). Es wurde eine automatische Ansage mehrmals betätigt, die keinerlei konkrete Information enthielt, sondern nur eine akustische Belästigung war (“unplanmässiger Halt” etc.). Das dauerte über 10 Minuten.

Die Weiterfahrt gestaltete sich aus Fahrgastperspektive wie “auf Sicht fahren” – also für Kaninchen wird gebremst. Das lag vermutlich daran, dass die Umleitungsgleise nicht über Signaltechnik verfügten, die dem “Stand der Technik” entsprechen. Oder sie sind schon – sehr – lange nicht mehr gewartet worden. In Leverkusen hatten wir dann 15 Minuten Verspätung. Das bedeutete: die Option in Oberhausen-Sterkrade auf den Bus über Bottrop nach Essen-Karnap umzusteigen, war weg.

Von Leverkusen bis Düsseldorf erreichte der RE5 stellenweise die gewohnte Reisegeschwindigkeit, um dann in Düsseldorf so richtig ausgebremst zu werden. Er wurde durch einen langen Tunnel von ganz rechts nach links auf Ausweichgleise umgeleitet – nun mit freiem Blick auf die rechts überholenden Züge und die idyllischen Düsseldorfer S-Bahnsteige. Dass uns bis Duisburg sogar eine solche S-Bahn überholte, war dann nur noch das Sahnehäubchen auf dieser Reisesuppe.

Bis Duisburg addierte sich die Verspätung auf eine halbe Stunde. Die Weiterfahrt des Zuges bis Wesel wurde gestrichen (ohne Ansage, nur auf den Displays zu erkennen) – er endete in Oberhausen. Ich zog es vor, schon in Duisburg umzusteigen, weil ich dort zwei Optionen nach Essen (Hbf. oder Altenessen) hatte. Die nach Altenessen erschien dort günstiger. Es erschien ein Zug mit geringer Verspätung, der statt nach Dortmund nur bis Gelsenkirchen verkehren sollte (Bauarbeiten in Herne) – ausreichend für mich. Nachdem wir die neugebauten Brückenbauwerke in Duisburg-Kaiserberg passiert hatten, stoppte der Zug auf freier Strecke weitere 10 Minuten. Danach gings in hohem Tempo weiter.

In Altenessen schliesslich sah ich meine tief, sehr tief vergrabene U-Bahn noch wegfahren, und telefonierte meinen Verwandten, dass ich mit der nächsten direkt zur vereinbarten Gaststätte in Gelsenkirchen-Horst durchfahre.

Drei Stunden vs. 1 Std. 15 Min. für die gleiche Strecke

Das waren von Bonn Hbf. bis zur “Puszta-Schänke” in Gelsenkirchen exakt drei Stunden. Also das, was der Fahrplan während der Sperrungen in den Osterferien verheissen hatte.

Die abendliche Rückfahrt mit dem durchfahrenden IC (von Dresden kommend) von Essen Hbf. nach Bonn-Beuel meinte es gut mit mir: nur 10 Minuten Verspätung. So erreichte ich noch den Stammtisch von Karl Uckermann in der Brotfabrik.

Könnte es sich um eine Verschwörung der Deutschen Bahn gegen das 49€-Ticket handeln? Mein besonderer Dank gilt dem aktuellen NRW-Ministerpräsidenten und Möchtegernkanzlerkandidaten Hendrik Wüst, der 2017-21 unbemerkt von der Öffentlichkeit als NRW-Landesverkehrsminister vieles von dem (mit) zu verantworten hat, was wir heute ausbaden.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net