Aber das ist für nichts eine Lösung

Dass der Kaufhof, der jetzt irgendeinen anderen Markennamen hat, in Bonn bleibt, mag seine lohnabhängig Beschäftigten beruhigen. Ich gönne es ihnen. Für die Entwicklung von City und Einzelhandel ist es dagegen trügerisch. Die Konzernherrscher hatten in ihrer kurzen Regentschaft vor Benko bereits gezeigt, dass sie gefühllos sind, wie alle Grosskapitalisten, und auf Renditezahlen gucken. Die Kaufkraft Bonns und die Eigentumsverhältnisse an der Immobilie sprachen (noch!) gegen Dichtmachen.

Wer braucht eine Innenstadt?

Ich als Beueler brauche sie nicht. Sie dient mir als Treffpunkt, wenn alte oder junge Freund*inn*e*n über den Hauptbahnhof kommen. Wo gehen wir hin? Wo lässt es sich behaglich zusammensein und reden? Orte, wie z.B. die kleine Galerie “Zur Blauen Stunde” (Dorotheenstr. 37, geöffnet nur Mi.-Sa. 16.30 – 20 h). Das Problem der Innenstadt: inhabergeführte Gastronomie war angesichts der Gewerbemieten nicht mehr möglich. Franscheissketten boykottiere ich aus gesundheitlichen und genusspolitischen Gründen.

Nach der Amazonisierung des Einzelhandels ist eine Umkehr der Mietenentwicklung fällig. Doch heutige Besitzer*innen, egal ob alte Bonner Kaufleute oder ausländische Investmentfonds, sind erstens denkfaul und zweitens an der Stadtentwicklung desinteressiert (sonst hätten sie vor Jahren – 2006 – nicht das Metropolkíno zerstört). Privatbesitz an Grund und Boden ist für jede Stadtentwicklung in Deutschland ein Grundproblem.

Meine kaufkräftige Alterskohorte misstraut dem Onlinehandel. Sie liebt für ihren Konsum die Beratung durch echte Menschen. Schuhe und Textilien müssen anprobiert werden können, ohne sie umständlich aus- und wieder einzupacken – die “Papier”tonne ist seit Jahren Verpackungstonne und sowieso schon voll. Ich werde in diesem Leben auch keine App für eine Packstation mehr laden. Meine Daten gehören mir. Die Deutsche Bahn habe ich das schon wissen lassen.

Was wir in Beuel brauchen

Herrenoberbekleidung (einst: Simons, Hermannstr.), Haushaltswaren (einst: Herter, Fr.-Breuer-Str.), Schuhe (demnächst schliesst das Landgraf-Outlet hinterm Bhf.). Immerhin soll neben Struck-Quadt jetzt wieder ein Weinladen einziehen.

Inhabergeführter Einzelhandel hätte eine Chance auf Renaissance

Menschenleere beratungsfreie Bau- und Elektronikmärkte mögen für autofahrende Berufstätige eine Option sein. Für kaufkräftige Senior*inn*en ab meines Alters und aufwärts zählt: fussläufige – mindestens ÖPNV-kompatible – Rollator-Erreichbarkeit, Beratung und Ansprechbarkeit echter Menschen, zu denen der Aufbau von Vertrauen möglich ist. Inhabergeführter Einzelhandel hätte eine Chance auf Renaissance – wenn die demokratische Politik das Immobilienkapital endlich dazu zwingen würde. Engagierte und mutige Gründer*innen gäbe es genug.

Was die wachsende Zahl der Alten menschlich benötigt, darüber wiess Deutschlands beste Schauspielerin Corinna Harfouch – fast genau in meinem Alter – mehr. Aktueller Film: “Sterben” (Neue Filmbühne Beuel: heute 15 h, So. 11 h, Mo. & Di. 19.30 h). Falls das Interview digital eingemauert werden sollte, melden Sie sich bei mir. Ich habe es mir gesichert.

Den Rhein dagegen überquere ich nur noch für gute Freund*inn*e*n.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net