Der WDR stört das DFB-“Sommermärchen”-Marketing, weil (kleine) Teile von ihm (noch) unabhängigen Journalismus machen
mit Update mittags und Update 6.6.
Der Ärger der Fussballmillionäre und ihres Apparates beim grössten Sportverband der Welt, dem Deutschen Fussball-Bund, ist gross. Da bereiten sich 26 Spieler und ein um ein Vielfaches grösserer PR-Apparat auf ein “dringend notwendiges” “Sommermärchen 2.0” vor, das – wie immer – mit einem deutschen Titelgewinn enden soll, und dann das: Rassismus! In Deutschland!
Ausgerechnet jetzt! Der Bundestrainer ist verärgert, denn etliche seiner Leistungsträger sind schwarz. Die Abwehr (Rüdiger, Tah) wäre, wäre sie so weiss, wie es deutsche Rassist*inn*en wünschen, international nicht konkurrenzfähig. Andere Schwarze (Sané) kämpfen seit Monaten mit ihrer Form und ihrem mediokren Fussballmillionärsdasein. Nichts als Widersprüche für 20-30-jährige junge Männer – ein bisschen viel auf einmal, wenn sie für die Nation Leistung bringen sollen in einem Wettbewerb, in dem die “kleinen Unterschiede” entscheidend sein werden.
Hinzu kommt, wovon die erregte Medienöffentlichkeit aktuell schweigt: Verhandlungen um die deutschen Fussball-TV-Rechte (der Herren). Der fussballindustrielle Komplex braucht einen Milliardenerlös, doch der ist gefährdet. Der Hauptmäzen und Trump-Förderer der letzten Jahre, Multimllliardär Rupert Murdoch, hat die Nase voll von derartiger Kapitalvernichtung, und den deutschen Pay-TV-Sender Sky für teures Geld an den ahnungslosen Konkurrenten Comcast verscherbelt, um seine nicht minder reaktionären Erben zu befrieden. Und Comcast hat erst danach gemerkt, was für ein Ei der clevere Greis ihnen ins Nest gelegt hat. Die zahlen nur und verdienen ja gar nichts.
Murdoch hat einen “würdigen” Nachfolger gefunden: Len Blavatnik, nicht minder oligarchischer Kapitaleigner von Dazn, die eifrig das Fussballerbe von Sky weltweit übernehmen wollen – zu günstigeren Preisen für sich, und zu ungünstigeren für die dummen Abonnent*inn*en. Der Deutschen Fussball-Liga, die sich so schön an Sky gewöhnt hatte, macht das Angst und Nervosität. Jetzt liegen sie mit Blavatnik vor Gericht um ihr Ausschreibungs- und Versteigerungsverfahren. Vor gut einer Woche konferierte Mr. Blavatnik mit der mächtigen Führungsspitze des sportlich derangierten aber weiter “marktführenden” Fussballkonzerns aus dem süddeutschen Raum. Über die Gesprächsinhalte wird laut geschwiegen …
Und jetzt kommen der WDR und die ARD daher, die in diesem Verfahren mit ihrer “Sportschau” nur der Blinddarm sind, und stören mit rassistischen Fragen, auf die Teile des Publikums – ja ist es denn möglich? – auch noch ebenso rassistisch antworten. Sind so welche denn noch seriöse Geschäftspartner?
Wenn wir Haushaltsabgabenzahler*innen auf diese Weise Geld sparen, das die ARD-Funktionäre der DFL zum Frass hinwerfen wollten, dann hat diese Rassismus-Offenlegung doch noch eine überraschende gute Seite.
Update mittags
Den Film zur Umfrage – verfügbar 1 Jahr – habe ich selbst noch nicht gesehen. Aber der geschätzte Kollege Matthias Dell (Zeit-online). Ich fürchte, seine Filmkritik werde ich teilen (wenn ich ihn mir ansehe – alle Formatierungs- Marotten derzeitiger TV-Dokus scheinen zusammen gekommen, so dass ich zweifle).
Ein inhaltlicher Punkt von Dell ist relevant: “Denn schon das Stellen der Frage, wie weiß sich die Leute das eigene Team wünschen, wertet einen talking point medial auf, der allein für die Menschenverachtung von rechts relevant ist; dass ein Fußballspieler diesbezüglich mehr Medienkompetenz besitzt als eines der größten Medienhäuser Europas, spricht nicht für den WDR.” Das kann mann im Sinne eines strategischen Agendasettings so sehen. Ich halte dem entgegen, dass der von der Umfrage hervorgerufene Schock zahlreicher Medien erforderlich war, um die o.g. Marketing-Kampagne zu belästigen. Die Umfrage enthält eine Wahrheit, die gerne übersehen wird: ein “geschlossenes rechtsradikales Weltbild” (so einst eine Sinus-Studie der 70er in der West-BRD), in diesem Falle ein rassistisches Bild vom Herrenfussball, reicht deutlich über AfD-Wähler*innen hinaus. So erklärt sich nämlich der unschöne AfD-Ähnlichkeitswettbewerb zahlreicher demokratischer Parteien. Der “Talking Point” (Dell) ist längst aufgewertet, in jeder Bundestagsdebatte präsent – und nicht nur da.
Update 6.6.
Nachdem ich Philipp Awounous Film nun gesehen habe, bleibt nur ein Pünktchen, bei dem ich mit Matthias Dells Kritik mitgehe. Dieser Punkt ist die “Presenter”-Seuche in deutschen TV-Dokufilmen. Offenbar wird das von den Sende- und Redaktionsleitungen den Macher*innen als Format vorgeschrieben, weil sie ihr Publikum für so debil halten, dass es die Filme sonst nicht verstehen würde.
Aber schon die Texte, die Awounou in seinen Presenter-Szenen aufsagt, die selbstverständlich filmisch mit weit aussagestärkeren Bildern hätten unterlegt werden können, waren analytisch absolut ausgereift und übertreffen damit jeden alten weissen CHefmann in deutschen TV-Anstalten.
Und ein besonderes Talent des Machers möchte ich hervorheben. Seine Interviewzeug*inn*en, und zwar inklusive des larmoyanten weissen Sacks von der AfD, waren so exzellent gecastet, dass ich dem guten Mann am liebsten alle deutschen TV-Trash-Talks zur weiteren Bearbeitung übergeben wollte. Insbesondere bei Tuğba Tekkal und Gerald Asamoah war ich persönlich “nah am Wasser gebaut”. Mehr kann ich von einem guten Doku-Film nicht verlangen.
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