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Warum?

Brandenburg u.a.: falsche Beratung richtet nicht nur Schaden an – am Ende könnten wir alle weg sein

Die Verzweiflung über die ostdeutschen Landtagswahlen ist in allen Parteien links der CDU gross. Wie konnte das passieren? Das ist die einfache Frage. Die schwierigere ist: was nun?

Es ist ja nicht Ostdeutschland. Es sind alle kapitalistischen Länder mit bürgerlichen Demokratien. Die Rechten sind auf dem Vormarsch, die Linken am Verschwinden.

Es gibt zwei zentrale strategische Fehler, die zur aktuellen Linken-Malaise geführt haben. Den Rechten die politische Aufgabe Frieden auf den Elfmeterpunkt zu legen, ist gewiss der grösste und bescheuertste Fehler, der mir in meiner bisherigen Lebenszeit (67 Jahre) untergekommen ist. Ins Gesicht sprang mir das bei diesem Interview des mir persönlich gut bekannten und geschätzten Kollegen Wolfgang Storz/bruchstuecke. Mein Blutdruck steigt automatisch, wenn meine Ängste vor einem Atomkrieg in die “von Moskau gesteuert”-Schublade gesteckt werden. Das ähnelt in seiner politischen Verblendung der Klimawandel-Leugnung. Bei der Gelegenheit: wie wollen die Damen und Herren Putin-“Besieger*innen” den Klimawandel denn aufhalten – ohne China, Russland, relevante Teile des globalen Südens? Zuerst Regimes stürzen, und dann …? Bis dahin bin ich tot, und versucht zu meinen: zum Glück.

Der zweite Faktor ist die soziale (Verteilungs-)Gerechtigkeit. Wer sich von der FDP so am Nasenring durchs Land ziehen lässt, einer Partei, die in keiner Umfrage mehr als 5% erreicht, der hat auch nichts anderes verdient, als SPD und Grüne derzeit erleiden.

Wer das zusätzlich noch mit Aggression gegen Flüchtlinge u.a. Andersartige zu kompensieren versucht, verliert jede politische Kreditwürdigkeit. Widerwärtiger und niedriger gehts nicht. Nicht die Mehrheit der Bevölkerung empfindet das so, aber eine im mehrfachen Sinne kritische Masse, die das Geschehen aufmerksam und interessiert verfolgt, und davon planmässig demobilisiert wird – die “Boomer” sind zu alt, um noch in Massen auf der Strasse zu protestieren.

Wer hat Rot-Grün nur so falsch beraten? Ich weiss es, Roland Appel weiss es, Friedrich Küppersbusch weiss es, Jürgen Zurheide weiss es, Antje Vollmer wusste es. Nun wissen sie im berlinmittigen Treibhaus keinen Ausweg mehr. Kleines Einmaleins der Politik: Dankbarkeit gibt es nicht – und was ist die Exit-Option?

Die irren Medienstrategien

Die AfD sitzt noch in keiner Landesregierung. Aber die 16 real existierenden Landesregierungen beschliessen schon mal direkt, welche Programme die uns gehörenden Anstalten ARD und ZDF dichtmachen sollen. Was kann also durch die AfD noch schlimmer werden? Die Vernichtung der Anstalten? Das können die selbst immer noch am besten.

Der ehemalige Lokaljournalist Jan Böhmermann weiss es. Die AfD macht im Osten das, was die Bonner Grünen schon vor Jahren – gegen den Widerstand von Karl Uckermann und mir – abgeschafft haben: gedruckte Zeitungen in die Briefkästen verteilen. Das sei von gestern, die Zukunft sei “digital”, war seinerzeit die Mehrheitsmeinung.

Die AfD im Osten, die immerhin dort damit stärkste Partei wird, macht das, was ich in der Jungdemokraten-Geschäftsstelle 1987 beim Volkszählungsboykott organisiert habe. 100.000 – damals illegale! – Zeitungen an alle Bonner Privathaushalte. Sie mussten in 24 Stunden aus dem Büro raus sein, damit sie nicht beschlagnahmt werden konnten. Was wir damals konnten, kann die Ost-AfD jetzt auch. Die Grünen dagegen nicht. Dä.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

4 Kommentare

  1. A.Holberg

    nur eine Frage; was sollte oder könnte denn in so einer in die Briekästen gelegten Zeitung stehen, was die Bürger, die von den regierenden Systhemparteien im Gegensatz zu der noch nicht regierenden Systhem ( des kapitalistischrn nämlich) Partei AfD die Nase voll haben, drinstehen – das Gegenteil von dem, was dieser Parteien Chefs und Geldgeber hören oder gar tun wollen?

  2. Martin Böttger

    Diese Frage müssen die potenziellen Autor*inn*en beantworten. Es geht zunächst mal um eine politisch autonome und wirksame Medienstrategie, die sich nicht von Anderen abhängig macht, und relevante Teile der Bevölkerung und Wähler*innen nicht – bewusst oder fahrlässig – übersieht. Das ist eine Frage des politischen Handwerks. Im gegenwärtigen Kapitalismus droht seriöses Handwerk weitgehend auszusterben – auch in der Politik.

  3. A.Holberg

    Der “gegenwärtige Kapitalismus” scheint mir unübersehbar ein Kaptalismus in der Krise zu sein. Das bedeutet, dass die politischen Kräfte der verschiedenen Fraktion der herrschenden bürgerliche Ordnung genötigt sind, in zunehmendem Maße auf die zu den guten Zeiten passenden Regeln ihrer politischen Ordnung – sprich auf die formale, weil eben der Klassenherrschaft nachgeordnete, parlamentarische Demokratie zu verzichten. Entsprechendes gilt dann natürlich für ihre Medien, bei denen die herrschende Klasse nicht umhin kommt, ihre relative Vielfalt aus besseren Zeiten zu beschneiden ( was in Zeiten des Internets natürlich schwerer ist als dazumal)

    • W.Nissing

      DER Kapitalismus ist nicht in der Kriese (imho) sondern nur die Neofeudale Ausprägung nach wertewestlicher Lesart. Wie sagte Frau U. Herrman in ihren helleren Momenten: “Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung”.
      Wie wir allerdings die augenblickliche Situation der völligen Kopflosigkeit in unserer Werteblase überwinden können, weis ich auch nicht. 3/4 um uns rum auf der Erde machen ja auch was und versuchen über die Runden zu kommen. Problem ist halt, wir sind momentan noch in der Lage alles mit in den Abgrund zu reißen.
      Bekommen wir einen 2 ten chut eines Empire wie seinerzeit die UDSSR so friedlich hin?

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