Der Rheinmetall-Deal nimmt den BVB 09 Borussia Dortmund auseinander

Es gibt nicht die “eine” Ursache, warum alles schiefgeht. Nicht der Trainer. Und auch nicht Rheinmetall. Wer was bessern will, muss die Strukturen komplett analysieren, und daraus die richtigen Schlüsse ziehen. Bedauernswerterweise sind der real existierende Kapitalismus und die “Mechanismen des Geschäfts” im Profifussball der Herren zwar hinterfragbare, aber schwer veränderliche Voraussetzungen. Doch Glaubwürdigkeit und eine starke, engagierte Fanbasis sind auch unter diesen Voraussetzungen von Vorteil, und fast nie von Nachteil.

Auf dieser Basis muss sich der Powerslogan “Echte Liebe”, den die Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA seit dem hundertjährigen Jubiläum des Vereins 2009 in ihrem Marketing einsetzt, befragen lassen. Ein Slogan, der an Prägnanz und Aussagekraft geradezu unschlagbar ist. Ausser durch seinen Aussender selbst. Der hat nämlich schon vier Jahre zuvor die Axt angesetzt, indem er den Namen des Westfalenstadions an einen Versicherungskonzern verkaufte.

Dieser Konzern hat auch hier in Beuel eine Agentur in der Friedrich-Breuer-Strasse, deren Fensterfläche so gross ist, das sie durch schwarz und gelb gesprühte Buchstaben W-e-s-t-f-a-l-e-n-s-t-a-d-i-o-n ästhetisch stark gewinnen würde. Aber das wäre natürlich kriminelle Sachbeschädigung, weswegen ich hier dazu keinesfalls aufrufe. Schliesslich bin ich ja selbst als Fan der wahren Borussia in schwarz-grün-weiss auch gar nicht betroffen. Aber ich schweife ab.

In der letzten Bundesligasaison dominierte rund um das Westfalenstadion noch mehr Trübsinn als in der vorletzten. Damals verspielte die Mannschaft den deutschen Meistertitel am letzten Spieltag im eigenen Westfalenstadion. Dieses Stadion mit seinen über 80.000 Fans ist ein weltweites Alleinstellungsmerkmal. Es hat nicht nur die grösste Stehtribüne der Welt – von der Uefa-Mafia gar nicht erlaubt, und darum bei den lukrativen Champions-League-Spielen mit weniger Fassungsvermögen.. Es ist auch bei jedem Pflichtspiel der ersten Herrenmannschaft voll – immer! Die deutschen Plastikvereine wie Wolfsburg, Hoffenheim und selbst der aktuelle Meister von Bayermonsanto haben ihre liebe Müh, das mit ihren kleinen 30.000er Arenen zu schaffen. Der Ruhrpottrivale des BVB. der S04, schafft eine volle 65000er-Arena sogar in der 2. Liga, bei Abstiegsgefahr!

Warum erkläre ich das? Weil das die soziale Basis des Vereins BVB 09 Borussia Dortmund ist. Für einen Fussballverein ist das Kapital, und zwar keineswegs nur symbolisches. Doch schon nach der Übernahme der DDR durch die BRD wurde die damalige Vereinsführung vom Grössenwahn übermannt. Um dem Fussballkonzern aus dem süddeutschen Raum Konkurrenz zu machen, wurde dieser nachgeahmt. Teure, zweifellos auch viele gute Spieler wurden eingekauft, als gäbe es kein morgen mehr. Und auch alle relevanten Titel in Einzelfällen errungen, nicht in Serie, aber doch euphorieverbreitend. Diese Euphorie, gekrönt mit einem “Börsengang” der GmbH & Co. KGaA, vernebelte den Blick für die Tatsache, dass das ganze Gebilde ökonomisch unmittelbar vor dem Konkurs stand.

An dieser Stelle, es war 2005, begann der Einsatz des Warburger CDU-Politikers und mittelständischen Unternehmers Hans-Joachim Watzke. Er erarbeitete sich in den Folgejahren den Ruf des “Sanierers” und “Retters”. Er war es nicht alleine, aber er repräsentierte das. Und tut es noch heute. Und das ist das Problem. Er ähnelt eher Helmut Kohl als Angela Merkel, weil er für sich das Ende nicht findet. Er hat nicht nur den Stadionnamen verkauft und den Rheinmetall-Deal eingefädelt – ich kenne mehrere Vereinsmitglieder, die deswegen ausgetreten sind – er hat sich auch zum Boss der Deutschen Fussball-Liga (DFL) aufgeschwungen, und in dieser Rolle mehrere Konflikte mit den Fans (“Investorendeal”) mit zähneknirschenden Niederlagen absolviert. Nun sieht er, dass die für das fussballerische Strategieerbe ausersehenen Nachfolger “es” nicht schaffen – eine willkommene Ausrede für ihn, nicht loszulassen.

Das Gebälk ist morsch. Und Profifussballer, auch wenn sie erst 18, 19, 20 sind, sind intelligent und informiert genug, dass ihnen die Intrigen im Management nicht entgehen. Zumal ihre hochprofessionellen “Berater”-Firmen offensiv daran mitwirken, meistens in Handlungseinheit mit den sog. “Journalisten” des Springerkonzerns oder den eingebetteten Pay-TV-Sendern Sky und Dazn. Folgerichtig ist das BVB-Team gegenwärtig in seine profitorientierten Einzelteile zerfallen und belegt nur noch den 10. Platz, allerdings mit dem zweithöchsten Etat. Das ist das Schöne am Sport.

Was wäre ein möglicher Weg?

Abstieg in die 2. Liga wäre zwar sportlich die attraktivste Lösung, weil sich dort viel attraktivere Gegner befinden. Das empfehle ich auch meiner Borussia (11.). Ist aber nicht realistisch. Denn hinter den zwei Borussias rangieren sieben Vereine mit nur einem Bruchteil ihres Jahresetats, die die zwei oder drei Abstiegsplätze unter sich ausmachen werden.

Ich empfehle für die nächste Saison den Verkauf aller Multimillionäre unter den Spielern, und bereits in der Rückrunde das Hochziehen möglichst vieler Nachwuchsspieler. Beide Borussias haben im U19-Bereich ihrer Nachwuchsstaffel der Juniorenliga mit 38 von 42 möglichen Punkten gewonnen. Die Talente werden nur besser, wenn sie auch gefordert werden. Also rein ins Profiteam.

Die Fans werden das begrüssen. Wenn “Eventfans” fernbleiben, müsste das auch mal durchgehalten werden. Soziale Bindungen sind wertvoller als Kapitalbindungen. Das wäre ein Gegenentwurf des westdeutschen Fussballbetriebs gegen den Konzern im süddeutschen Raum und die Plastikvereine. Denn, liebe BVB-Fans, mal ehrlich: den Weg von Jürgen Klopp, den wollt ihr doch nicht wirklich mitgehen!?

Wie das fanferne kapitalnahe Agieren in den 90ern anfing, das dokumentiert in fantastisch anschaulicher Weise die btf-Produktion “FC Hollywood”, 7 Jahre verfügbar. Als Abschreckung funktioniert die bestens.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net