Kürzlich habe ich geträumt, ein Fernseh-Ansager erscheint auf dem Bildschirm und verkündet das amtliche Endergebnis der Bundestagswahlen: Wahlbeteiligung 0%. Davon entfallen auf die SPD 0%, auf die CDU/CSU 0%, auf die Grünen 0%, auf die FDP 0%, auf die Linke 0% und auf die übrigen ebenfalls 0%. Man wird ja wohl mal träumen dürfen…
Ich war bislang Zeitzeuge von 16 oder 17 Bundestagswahlen, und deswegen weiß ich: Wahlen und Beerdigungen liegen inhaltlich und sprachlich eng beieinander: Erst das Kreuz, dann der Urnengang, schließlich die Bittgebete … Entscheidend für jede Wahl sind nicht unbedingt Vernunftgründe, sondern vor allem Sympathiewerte, denn weder die Wahlplakate noch die Aussagen der Politiker lassen tiefere Schlüsse hinsichtlich ihres Charakters und ihrer Kompetenz zu. Bei der Beurteilung des politischen Personals sind Wählerinnen und Wähler auf ästhetische Kriterien angewiesen. Dafür sind Medienberater und Marketingexperten zuständig, und deren zentrale Erkenntnis lautet: Wahlkampf ist Banden-Werbung.
Werbetechnisch gibt es keinen Unterschied zwischen einer Außenministerin und einem Deo-Roller. Und die politische Werbung macht keinen Unterschied zwischen einer Innenministerin und einer von Hand gestopften Rügenwalder Teewurst. Eine Werbe-Spitzenkraft könnte auch die Panzer-Oma aus Düsseldorf sein – die mit der silbernen Haubitzenfrisur und dem aus dem Haarspray herausgemeißelten Granatenprofil: Die macht ja schon lange prima Reklame für’s Militär, indem sie wirklich alles tut, damit endlich Schluss ist mit dem Primat der Politik und es wieder zum Primat der Militärs kommt. Die könnte als Werbetante gewiss auch den Kindern am Abendbrotstisch beibringen, was eine Frau mit Stil unternimmt, um nicht in die Büx zu pieschern, oder dass es ganz doll tapfer macht, Zäpfchen gegen Blasenentzündung zu schlucken… Hingegen Sarah, unsere Migrantenschreckin, sollte für die Textilindustrie werben – schließlich sieht sie schon von Haus aus Margot Honecker ähnlich, die sich auf der Flucht vor der Polizei eine Nacht lang in einem Gerry-Weber-Laden versteckt hat. Und Alice, die faschisten-affine Bundesvogelscheuche, die unbedingt Reichskanzlerin werden will, unterliegt den gleichen Werbeprinzipien wie ein WC-Reiniger … Schließlich empfiehlt sich als Werbe-Ikone die hochattraktive Julia: sie hat früher den Duft der großen weiten deutschen Schweineställe präsentiert, und heute sieht sie bei jeder Bundestagssitzung immer noch so aus, wie es aus den Douglas-Läden riecht …
Die Männer sind natürlich sehr viel weniger werbewirksam. Immerhin – den Kanzler könnte man schon für die Fernsehlotterie werben lassen. Er will ja gerne wiedergewählt werden, und ob er das schafft, ist fraglich, denn niemand weiß zur Zeit, wie hoch der Mitleidsbonus ausfällt, den er mit seinem Bemühen, Sympathisanten hinter sich zu versammeln, aktivieren kann. Zum Glück hat er den Bürzel, den er früher auf dem Kopf trug und der aussah wie ein toter Maulwurf, schon vor längerer Zeit abgelegt. Jetzt sitzt dieser Bürzel offenkundig auf der Platte vom Oppositionsführer, wo er wirkt, als hätte er ihn aus irgendeinem Flusensieb herausgepuhlt. Ich vermute mal, den Bürzel trägt der konservative Kanzlerkandidat auf dem Kopf, weil das seinem ästhetischen Bewusstsein entspricht. Der will nicht ulkig sein, der findet das schön. OK, aber warum guckt er dann immer in die Kameras, als sei er magenkrank und inkontinent, allzu ehrgeizig und verbittert, als leide er unter saurem Aufstoßen, Sodbrennen und Nachtschweiß? Ich bin sicher – dieser seltsame „Obere Mittelschichtler“ (Selbstauskunft) wäre der richtige, um in der Werbung klar zu machen, was mit Leuten passiert, die auf sämtliche Hanf-Produkte verzichten…
Der Verdacht liegt nahe, im demokratischen und sozialen Bundesstaat Deutschland geht alle Staatsgewalt von Werbung und Reklame aus. Wahlkampf = Marketing! Kein Wunder, dass rund 30 Prozent der deutschen Untertanen sich einen tatkräftigen Diktator wünschen, mit dem man über alles diskutieren kann …
„Naja“, höre ich die Nachdenklichen sagen, „es muss ja Leute geben, die die Verantwortung für alles tragen, auch vor der Nachwelt“.
Muss es? Ich kenne keinen Menschen, der persönlich vor die Nachwelt hingetreten ist und verkündet hat, „Ich trage die Verantwortung…“
Psst – seien Sie mal still! Mir war, als hörte ich gerade die Asche von Adolf Hitler leise kichern… War wohl nix.
Soviel für heute zum Thema Wahlkampf. Demnächst mehr.
Deutschland genießt man zur Zeit am besten bei 15 Grad an der französischen Mittelmeerküste.
Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus dem Blog des Autors, mit seiner freundlichen Genehmigung.
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