Ein sachgerechter Hinweis auf all die “Sondervermögen”/Sonderschulden
Ich will gleich vorweg bemerken, dass ich mich mit dem hier zu empfehlenden Autor angefreundet habe. Der Kerl machte auf mich einen engagierten und seriös-anständigen Eindruck, und sein adelig klingender Familienname sollte niemanden abschrecken. Andreas von Westphalen/telepolis: “Sondervermögen: Milliarden für Waffen, Peanuts für Menschen? – Wo die 900 Milliarden Euro fehlen: Die Höhe der Sondervermögen übersteigen die Grenzen der Vorstellungskraft – ein paar Vergleiche zur Orientierung.” Ich stimme zu, und habe ergänzende Anschlussfragen.
Die heutige Politiker*innen-Klasse fühlt sich offenbar gefesselt von Lobbyinteressen und den von dort mitgelieferten “Sachzwängen”. Dem versuchen sie nun mit der orwellschen Begrifflichkeit “Sondervermögen” zu entfliehen. Anders sind sie nicht mehr in der Lage, Konsense miteinander auszuverhandeln. Denn Verhandeln, sowie Interessenab- und -ausgleich, gehören nicht mehr zu ihren Schlüsselqualifikationen. Die sind von der heute vorherrschenden Mediennutzungspraxis erst abgeschliffen, und mittlerweile fast vollständig rasiert worden. Keine*r hat in der neokapitalistischen Beschleunigung mehr für irgendwas Zeitaufwändiges Zeit: Denken z.B., längeres Zuhören am Stück, Überlegen vor Geschwätzigkeit, ganze Sätze statt Schlagworte – wertvolle alte menschliche Kulturtechniken, die neu erlernt werden müssen.
Dann lieber ein Brainstorming über “Sondervermögen”. Da haben alle was davon (glauben sie, ausser der Kollege Westphalen).
Ich denke seine Hypothesen-Sammlung noch einen Schritt weiter. Nur mal angenommen – was kostet die Welt? – das reiche Deutschland würde aus all seinen Füllhörnern das Euro-Manna verteilen, bis alle satt in ihre Liegestühle fallen (mir kommen dabei Bilder vom “Traumschiff” in den Sinn; oder noch treffender: Adsche Tönnsen in Büttenwarder). Für viele der vom Autor als notwendig markierten Sondervermögen ist nicht nur das Kapital erforderlich. Sondern auch eine grosse Zahl von Menschen, die bereit sind, für dieses auszugebende Geld zu arbeiten. Lehrer*innen, Kita-Erzieher*innen. Pflegekräfte aller Art, Dienstleister*innen aller Art. Die fehlen, wie von Andreas richtig beschrieben, nicht nur, weil sie zu schlecht bezahlt sind. Sondern auch, weil sie nicht da, bzw. hier sind. Mann nennt es Demografie. Nichts davon ist “überraschend” und “schockierend” – ausser für Politiker*innen-Talkshows – weil es so vorhersehbar ist.
Es besteht noch ein kurzes Zeitfenster der Gelegenheit, in dem Menschen auf der Suche nach Glück nach Europa, ja, manche sogar immer noch nach Deutschland, kommen wollen. Seit Jahrzehnten wird ihnen vermittelt, dass sie unerwünscht seien, die Verfolgung ihrer Wünsche und Interessen zwecklos sei. Das Schlimmste wird passieren: dass diese Botschaft ankommt und verstanden wird.
Die Welt ist grösser als unser Zwergstaat.
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