Der USA- Korrespondent der FAZ, Majid Sattar, schrieb dieser Tage in einem lesenswerten Text über das aktuelle Verhältnis zwischen Kanada und den Vereinigten Staaten, dass im Nachbarn der USA eine „rally around the flag“ stattfinde. Die Bevölkerung schare sich um die Fahne, weil der US-Präsident immer wieder darüber rede, den 41 Millionen-Einwohner-Staat mit dem roten Ahornblatt in der Flagge zum 51. Bundesstaat seines Herrschaftsbereichs zu machen. Sattar textete in der Überschrift: „Ein Land rückt zusammen.“ Entsprechend nannte der US-Präsident den kanadischen Premierminister einen Gouverneur: Das ist in den Vereinigten Staaten der Regierungschef eines Bundesstaates, mehr nicht.

Offenkundig ist es so, dass Präsident Trumps futuristische Ansichten zur Zukunft Kanadas erschrecken. Man erinnert sich daran, dass Kanada und die USA die längste gemeinsame Grenze zweier souveräner Staaten auf unserem Globus haben. Und gewiss ist, dass Kanadas Bevölkerung nicht daran denkt, dem Präsidenten im Weißen House ein Signal zu senden: Hol uns nach Hause. Vielmehr fordert er die kanadische Bevölkerung heraus, ihre sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse noch besser zu organisieren als sie es heute sind.

Und wir hier auf dem „alten Kontinent“? Wir kriegen aus namhaften Mündern und von bekannten Personen im Monatsrhythmus zu hören: Nehmt euch in Acht, sonst drücken wir auf die Knöpfe und ihr seid ausgelöscht. Glauben sie nicht. Wladimir Solowjow, den man einen Berater Wladimir Putins nennt, sagte kürzlich: “Wir werden Deutschland von Erdboden tilgen.“

Der Machthaber selber erklärte im Juni 2024: “Wir denken darüber nach, dass falls jemand es für möglich hält, Waffen in die Kampfzone zu liefern, um Angriffe auf unser Gebiet durchzuführen (…), warum wir dann nicht das Recht haben sollten, solche Waffen in Weltregionen aufzustellen, wo Angriffe auf sensible Objekte derjenigen Länder ausgeführt werden, die das in Bezug auf Russland tun?” In seiner Führung denke man über eine „asymmetrische“ Antwort nach.

Sein Scharfmacher. Dmitri Medwedjew sagte 2022: In Deutschland und den Nachbarländern werde ein „Viertes Reich“ entstehen, die Europäische Union werde sich auflösen, nachdem Großbritannien der EU wieder beigetreten sei, und in den USA werde ein Bürgerkrieg ausbrechen. Aha.

Das eine im Osten ist so verrückt wie das andere im Westen – jenseits des Atlantiks. Warum redet man so wie Trump und Putin über andere Leute? Wahrscheinlich weil man glaubt, es gebe genügend viele andere Leute, die zwar nicht auf Anhieb von dem überzeugt seien, was da angekündigt und prophezeit worden sei; in deren „Oberstübchen“ aber so Zweifel eingesät würden ….

Ich frage mich, um wen oder was würde die Bevölkerung der Bundesrepublik sich scharen? Gäbe es eine „Rally“ unter flatterndem „Schwarz-Rot-Gold“? Würden nicht alle möglichen Vereinigungen vor einem Ausbruch deutschen Nationalismus warnen? Würden die Höckes & Co nicht erklären: Weiter so, wir treffen uns dann vor und um das Kyffhäuser-Monument? Die einen würden zum Brandenburger Tor eilen, die anderen zum Willy-Brandt-Museum nach Unkel. Währenddessen würde in öffentlich-rechtlichen Anstalten eine breite Diskussion ausbrechen: Einerseits ist …….., aber andererseits wäre.

Schätze, als gelernter Landkölner aus der Voreifel würde ich zum Dom nach Köln fahren. Da könnte mir höchstens die Petersglocke, der dicke Pitter auf den Kopf fallen.

Über Klaus Vater / Gastautor:

Klaus Vater, geboren 1946 in Mechernich, Abitur in Euskirchen, Studium der Politikwissenschaft, arbeitete zunächst als Nachrichtenredakteur und war von 1990 bis 1999 Referent der SPD-Bundestagsfraktion. Später wurde er stellvertretender Sprecher der deutschen Bundesregierung. Vater war zuvor Pressesprecher des Bundesministeriums für Gesundheit unter Ulla Schmidt, Sprecher von Arbeitsminister Walter Riester, Agentur-, Tageszeitungs- und Vorwärts-Redakteur. Mehr über den Autor auf seiner Webseite.