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AfD übt Wanseekonferenz

Was das Recherchenetzwerk “Correctiv” über ein Treffen von AfD-, rechten CDU-Politikern und Neonazis gestern veröffentlicht hat, spricht Bände über die rechten Zusammenhänge, die sich in den vergangenen Jahren und vor allem seit dem Einzug der AfD in den Bundestag formiert haben. AfD-Funktionäre, wie der Büroleiter der Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel, Führungsideologen der Identitären Rechten bis hin zu Schwurblern und Neonazis haben sich Ende November in einer Villa am Lehnitzsee getroffen, um ihre Form von “Endlösung” zur Deportation von Menschen mit Migrationshintergrund zu besprechen.

Organisator dieses Treffs von AfD-Leuten, Werteunion NRW, mit Neonazis und Identitären war Gernot Mörig, ein in der rechten Szene bekannter Extremist und ehemaliger Zahnarzt, Hauptredner der österreichische Nazi Martin Sellner, laut Correctiv “langjähriges Gesicht der Identitären”.  Thema der Tagung war die Frage, die die zerstrittene rechtsextreme Szene umtreibt und einigen soll: „ob wir als Volk im Abendland noch überleben oder nicht“. Die Faschisten nennen das Thema “Remigration” und die “Ansiedlung von Ausländern rückabzuwickeln.”

Verfassungswidrige Gedankenspiele

So erörterten laut Correctiv die Anwesenden, unterstützt von der AfD-Bundestagsabgeordneten  Gerrit Huy, die Frage, wie Menschen aus Deutschland verdrängt werden können, wenn sie die vermeintlich falsche Hautfarbe oder Herkunft haben – und aus Sicht von Menschen wie Sellner nicht ausreichend „assimiliert“ sind. Auch wenn sie deutsche Staatsbürger sind. Es ist gegen die Existenz von Menschen in diesem Land gerichtet – eindeutig grundrechtswidrig. Das stört auch etwa die Vorstandsfrau der CDU-nahen “Gesellschaft für Deutsche Sprache” (die gegen das “Gendern” wettern) Silke Schröder nicht. Sie zweifelte nur an der Durchsetzbarkeit. Aber dafür hatte Neonazi Sellner auch eine Lösung: “der Anpassungsdruck” müsse eben durch “maßgeschneiderte Gesetze” erfolgen und sei eine “Jahrzehnteaufgabe.” Und Huy prahlte damit, dass sie bereits bei ihrem Beitritt zur AfD vor sieben Jahren ein “Remigrationskonzept” mitgebracht habe.

Druck ausüben und in einen “Musterstaat” deportieren

Der Fraktionsvorsitzende der AfD im Landtag des Zwergstaats Sachsen-Amhalt, Ulrich Siegmund,  erläuterte wohl seine Machtphantasien, die die AfD nach einer Regierungsbeteiligung umzusetzen gedenkt: “Das Straßenbild” müsse “sich ändern, ausländische Restaurants unter Druck gesetzt werden”. Es solle in Sachsen-Anhalt „für dieses Klientel möglichst unattraktiv sein, zu leben“. Und das könne man sehr einfach realisieren. Aber diese menschenverachtenden und rassistischen, völkischen Phantasien wurden noch durch Ideen des Neonazi Sellner getoppt, der bis zu zwei Millionen Migranten in einem “Musterstaat” in Nordafrika verbringen möchte. Und das beste: ihre Unterstützer dürfen auch dorthin. Die von den Nationalsozialisten um 1939/40 noch vor der “Wanseekonferenz” erwogene “Endlösung” war eine Deportation von vier Millionen Juden nach Madagaskar.

Als ob sie bereits die Macht ergriffen hätten

Gastgeber Mörig dozierte von einem Expertengremium, das diesen Plan – die Vertreibung der Menschen mit Migrationshintergrund, auch deutscher Staatsbürger – ausarbeiten soll. Und zwar unter „ethischen, juristischen und logistischen Gesichtspunkten“ – ein rassistischer Plan in legalem Gewand. Ein Mitglied habe Mörig schon im Sinn: Hans-Georg Maaßen, den früheren Chef des Verfassungsschutzes. Interessanterweise, so die Autoren des Berichts, sei auf dem Treffen schon bekannt gewesen, was Maaßen erst zu Jahresbeginn verkündet hat. Dass er vorhat, eine eigene Rechtspartei zu gründen.

Delegitimierung von Wahlen und Millionenspenden

Der Bericht von “Correctiv” ist detailliert, ausführlich und lesenswert. Denn hier werden nicht nur rechte Gesinnungen und Netzwerke deutlich, auch wie AfD-Siegmund offen für Spenden wirbt, die er angeblich für Wahlwerbung brauche. Auch eine Summe weiss er schon:  1,37 Mio.€. Strategien, wie man das “Problem” angehen könne, dass ja junge Migranten zumeist eher linke Parteien wählten, die ja die Politik hier gar nicht verstünden, und wie man – offensichtlich nach dem Vorbild Trumps in den USA – die Legitimität der Briefwahlstimmen angreifen könne. Wer nach der detaillierten Lektüre noch glaubt, ein Verbotsverfahren der AfD sei nicht angebracht, der irrt. Denn nach dem letzten Urteil im NPD-Verfahren ist es nicht nur erforderlich, dass eine zu verbietende Partei extremistische Ziele verfolgt – es ist auch erforderlich, dass sie so viel Einfluss ausübt, dass sie die freiheitliche Verfassungsordnung und die Demokratie wirklich verändern könne. Das ist bei der AfD gegeben, der Bericht eines von vielen wichtigen Dokumenten, die das belegen. Und wie eine Mahnung: Das Haus der Wanseekonferenz steht nur etwa acht Kilometer vom Tagungsort entfernt.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net

Ein Kommentar

  1. Rudolf Schwinn

    Wie gut, dass es den Beueler Extra-Diensr gibt: So klar, wie Roland Appel den Sinn des bewusssten Treffens definiert, habe ich es allein in diesem wahrgenommen. Die Demokraten im Deutschen Bundestag und die Republikaner in der bundesdeutschen Zivilgesellschaft sind zu ultimativem Handeln aufgefordert. Es ist doch bekannt: Die Madagaskar-Idee war ein Zwischenschritt auf dem Weg nach Auschwitz.

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