von Hidir Celik
Heute befinden sich mehr als 160 Journalisten in türkischen Gefängnissen, zum großen Teil ohne dass ein Prozess gegen sie stattfindet. In einigen Fällen ist der einzige Vorwurf gegen sie, dass sie Terrorismus unterstützen würden. Haltbare Beweise werden nicht vorgelegt. Eins ist aber sicher, dass diese Journalisten kritische Stimmen gegen Erdogan und seine Politik sind. Der Fall der Zeitung “Cumhurriyet“ zeigt, welch ein Untrechtsstaat Erdogans Türkei ist. Seit neun Monaten sind zwölf Redakteure mit dem Vorwurf inhaftiert, die Gülen-Bewegung zu unterstützen. Dabei war es gerade diese Zeitung und ihre Redakteure, die in den vergangenen Jahren immer wieder sowohl Erdogan als auch Gülen kritisiert haben, dass die Gülen-Bewegung mit Hilfe von Erdogans Partei AKP seit 2002 die Institutionen des öffentlichen Lebens unterwandert hat. Die Gegenleistung war, dass die Gülen-Bewegung die AKP bei Wahlen immer wieder unterstützt hat. Beide berufen sich auf die gleiche islamistische Ideologie.
In Erdogans Türkei wird sogar leise Kritik an Erdogan und seinem System nicht geduldet und mit Terrorismus gleichgestellt. Das zeigt sich am Beispiel von zehn Menschenrechtlern, die am 5. Juli in Istanbul verhaftet wurden, darunter auch der Deutsche Peter Steudtner. Diesen Menschenrechtsaktivisten wird vorgeworfen, dass sie westliche Agenten seien. Vier von diesen zehn wurden zwar vorübergehend aus der Haft entlassen, aber kurz danach wieder zur Fahndung ausgeschrieben. Die anderen sitzen weiterhin in Untersuchungshaft.
Insgesamt sitzen heute in Erdogans Türkei über 50.000 Menschen in Gefängnissen, darunter Gewerkschaftler, Lehrer, Studenten, aber auch ehemalige Angehörige von Militär und Polizei. Auch Abgeordnete der Opposition wurden verhaftet, der bekannteste von ihnen ist der Vorsitzende der HDP, Selahattin Demirtas. Den meisten von ihnen wird nicht einmal ein Prozess gemacht.
Trotz des Drucks der Europäischen Union denkt Erdogan nicht daran, nachzugeben. Dies zeigte sich beim Gespräch zwischen Vertetern der EU und der Türkei am 25. Juli 2017 in Brüssel, das nicht die von der EU erhoffte Annäherung brachte. In der türkischen Presse wurde dieses Gespräch zwar positiv bewertet, aber die angebliche “Einmischung in innertürkische Angelegenheiten” durch die EU kritisiert.
Der Druck der EU und der Bundesregierung zeigt, dass die Türkei einerseits auf ihrer harten Position beharrt, aber andererseits, dass sie auch Interesse am Dialog zeigt. Dadurch will Erdogan Zeit gewinnen, um die Opposition noch weiter zu schwächen. Die Entwicklungen in den letzten Tagen zeigen auch, dass von Seiten Erdogans und der AKP-Regierung keine Bereitschaft zu erkennen ist, in der Frage der verhafteten Journalisten und Menschenrechtler nachzugeben.
Eins ist sicher: Erdogan versteht nur eine klare Sprache. Man muss ihm gegenüber deutlich machen, dass er und seine Politik den europäischen Werten widersprechen. Ein Beitritt der Türkei in die Europäische Union ist unter diesen Umständen ausgeschlossen. Die Türkei kann ihren Platz in der europäischen Wertegemeinschaft nur bekommen, wenn grundlegende Menschenrechte, wie Meinungs- und Pressefreiheit sowie der Schutz von Minderheiten, und vor allem die Unabhängigkeit der Justiz eingehalten werden.
Der Kampf für freie Presse geht weiter. Die Journalisten in der Türkei, die sich mit den Inhaftierten solidarisch zeigen, tragen Transparente, auf denen steht “Wir beugen uns nicht!”. Auch sie brauchen unsere Solidarität.
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