Die Bundesregierung wäre schon fast fertig, wenn die CSU nicht wäre. Wer bisherige öffentliche Äusserungen und das sichtbare Persönlichkeitsbild der Beteiligten betrachtet, weiss das. Manche, selbst Grünen-Mitglieder, meinen, Jürgen Trittin könne ein Risiko für die Koalitionsbildung sein. Was für ein Quatsch. Ihn amüsiert es sicherlich, dass er so “gefürchtet” wird, weniger von der CDU, die ihn lieber “zur Sicherheit” dabei hat, mehr von den Weicheiern in den eigenen Reihen. Dass er in Interviews, bevor es überhaupt erste Sondierungen gegeben hat, klare Kante zeigt, zeugt nur von Verhandlungserfahrung. Denn wer schon vorher zeigt, dass er bereit ist unter der Türritze hindurchzukriechen, worüber will der denn verhandeln? Was würde Boris Palmer gegenüber Seehofer für eine humane Flüchtlingspolitik herausholen? Weniger als Nichts ist nicht möglich. Die Grünen sind nicht das Problem.
Auch die FDP nicht. Beide wollen. Und werden sich einigen. Wird es grünen Widerstand gegen den ideologisierten Neoliberalismus in der Haushalts-, Wirtschafts- und Sozialpolitik geben? Von wem könnte der ausgehen? Koalitions- und Regierungsbildung wird daran nicht scheitern.

Das Problem ist die CSU. Ich habe hier schon in zahlreichen Texten über den inneren und äusseren Niedergang der politischen Substanz in den Parteien geschrieben. Die meisten Einblicke ins Innere hatte ich natürlich bei den Grünen. Dort ist es schon schlimm. Bei den anderen ist es aber leider viel schlimmer. Am schlimmsten bei den sog. “Volksparteien”, die real überhaupt nicht mehr existieren. Am bittersten ist diese Erkenntnis, und vor allem dieses Erlebnis, bei der lebenslangen Regierungspartei CSU. Dass die Anti-Seehofer-Fronde ausgerechnet von der Münchner CSU ausgehen soll, toppt jede Komik. Die Münchner CSU ist in ihrer Erfolglosigkeit so eine Art Gegenstück der bayrischen (oder sächsischen, oder thüringischen, oder baden-württembergischen) SPD, also einer “Volkspartei”, die in ihrer Sektenhaftigkeit in immer gefährlichere Nähe zur 5%-Klausel gerät.
Es fehlt leider nicht mehr viel zu österreichischen Zuständen: Entleerung der Parteien, Outsourcing der Kampagnen an kommerzielle Firmen und Interessen, was gradlinig zur weiteren Verschlimmerung der Lage und Demontage der Demokratie führt.

Natürlich ist das alles Wasser auf die Mühlen antipolitischer Vorurteile an den Tresen dieses Landes. Leider haben diese Vorurteile zu viel Substanz in der Wirklichkeit.

Das gilt auch für die deutsche Industrie. Sie braucht keine starken Gewerkschaften, um ruiniert zu werden, sie schafft das selbst. Über Banken und Autoindustrie ist ja schon einiges bekannt. Aber wenn Sie in letzter Zeit Matratzen oder andere schaumstoffhaltigen Möbel gekauft haben, dann haben Sie u.U. jetzt zuhause ein grösseres Problem. Die Quelle meines Links ist, wie man weiss, nicht “wirtschaftsfeindlich” orientiert.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net