Donald Trump ist es tatsächlich gelungen, die US-Gesellschaft zu spalten. Das gilt auch für persönliche Beziehungen.
Alle, die aus den USA berichten, schreiben es, wieder und wieder. Alle, die sich für die USA interessieren, lesen es. Wieder und wieder. Aber es gibt Dinge, die lassen sich offenbar nicht angemessen beschreiben. Nur erleben. Ich merke, dass auch mir die Worte fehlen, um zu schildern, wie tief die Spaltung der Gesellschaft in den Vereinigten Staaten mittlerweile ist. Wie spricht man über Sprachlosigkeit?
Das politische Klima zerstört nicht nur die offene demokratische Auseinandersetzung – schleichend und unaufhaltsam vergiftet es lebenslange, persönliche Beziehungen. „Mein Trauzeuge ist ein Republikaner und unterstützt Donald Trump“, erzählt ein 55-jähriger Geschäftsmann, verheiratet seit 26 Jahren.
„Am Anfang haben wir uns noch angepflaumt und herumgewitzelt. Dann haben wir den Elefanten im Wohnzimmer ignoriert und Gespräche über Politik vermieden. Inzwischen habe ich einfach keine Lust mehr, ihn zu treffen. Trump ist ein Verrückter. Seine Instinkte sind bösartig. Er lässt jeden Anstand vermissen. Wie soll ich mit jemandem reden, der ihn gut findet?“
Der Gesprächsfaden wird dünner
Seine Frau macht ähnliche Erfahrungen. Jahrelang hat sie sich gemeinsam mit einer engen Freundin auf lokaler Ebene in Wahlkämpfen für die Demokraten engagiert. Die Freundin hat vor zwei Jahren einen Republikaner geheiratet. „Sie ist schroff und abweisend geworden in letzter Zeit. Über Politik möchte sie nicht mehr reden.“ Die 54-jährige deprimiert das, aber sie will das Thema der Freundin gegenüber nicht offen ansprechen. Sie befürchtet, dass der dünner werdende Gesprächsfaden ganz abreißen könnte.
Es gibt Schlimmeres, natürlich. Während ich diesen Text schreibe, wird über das Motiv eines ehemaligen Soldaten gerätselt, der in einer kalifornischen Bar 12 Leute erschossen hat. Erst vor ein paar Tagen hat eine ähnliche Tat elf Opfer in einer Synagoge in Pittsburgh gefordert. Jede Gesellschaft kann sich sogar an solche Meldungen gewöhnen, es muss nur genug davon geben.
So weit ist es in den USA noch lange nicht. Aber in Medien wird immer mal wieder irgendwer – meistens ein Mann, meistens ein Republikaner, meistens aus der unteren Mittelschicht – mit der Einschätzung zitiert, das Land steuere auf einen Bürgerkrieg zu. Als politische Analyse mag man das zu Recht für unsinnig halten. Als Ausdruck des Gefühls gegenüber Andersdenkenden im eigenen Land ist es jedoch beängstigend.
Die Verantwortung lässt sich benennen
Bei allem guten Willen, sich um Fairness und Verständnis gegenüber allen Seiten zu bemühen: Der Verantwortliche für diese Entwicklung lässt sich benennen. Manchmal ist eine Schuldzuweisung unvermeidlich, wenn man der Wahrheit die Ehre geben will. US-Präsident Donald Trump hat erreicht, dass im politischen Raum nicht mehr vorwiegend über Tatsachen, sondern über bloße Behauptungen gestritten wird.
Und er hat Gewalt mehrfach unmissverständlich zu einem legitimen Mittel der Auseinandersetzung erklärt. Das Ergebnis der Zwischenwahlen in den USA wird es ihm erschweren, sich widerstandslos mit allen Wünschen durchzusetzen. Aber es ist fraglich, ob ihn das überhaupt stört. Denn es scheinen nicht inhaltliche Ziele zu sein, die ihn treiben, sondern ausschließlich die Gier nach Macht.
Das Bedrückende am Ausgang der Wahlen: Donald Trump ist nicht zu einem Irrtum der Geschichte erklärt worden, sondern wurde durch die respektablen Erfolge der Republikaner geadelt. Wer ihn gut findet, kann sich nun moralisch legitimiert fühlen.
Im Hinblick auf die Psychologie, die stets untrennbar zur Politik gehört, hätte kaum etwas Schlimmeres passieren können.
Dieser Beitrag ist eine Übernahme von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autorin und Verlag.
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