Wer wird der “Gamechanger”?
Frühestens Ostern, oder durch einen klimapolitisch beunruhigenden mildwettrigen Jahresbeginn, werden die mitteleuropäischen Menschen sich wieder an sinkenden Infektionszahlen erfreuen können (7-Tage-Inzidenz Bonn heute: 239,1). Die Entscheidung über den CDU-Vorsitz wird dann schon gefallen sein. Kurz danach wird das Schauspiel über die Kanzlerkandidatur folgen. Ich habe Zweifel, dass das erheiternd wird. Für CDU und CSU wird es um nicht weniger als ihre Existenz gehen.
Stefan Reinecke/taz sieht in seinem aktuellen Essay Schwarz-Grün kommen. Das ist leider realistisch, auch seine Einschätzungen und Beurteilungen zu den Grünen. Weil ich keine Lust auf Telefon- und Videokonferenzen habe, nehme ich an den aktuellen Diskussions- und Entscheidungsprozessen nicht mehr teil, kann mich also nur auf mein Medien- und Erfahrungswissen stützen. Widerspruch zu Reinecke, soweit es die Grünen betrifft, fällt mir auf dieser Basis keiner ein. In der abgelaufenen Grundsatzprogrammdebatte ist jede Klippe abgeschliffen worden. Immerhin beharrte eine Mehrheit des digitalen Parteitages für Kriegseinsätze auf einem Uno-Mandat. Doch der jetzigen Parteispitze wird es gewiss gelingen, das einem Kompromiss mit dem zukünftigen schwarzen Koalitionspartner zu opfern. Ähnlich wird es in der Kampfdrohnen-Frage laufen, die die SPD – nur scheinbar bauernschlau – Schwarz-Grün in den Lauf geflankt hat. Wenn es so weit kommt – ich wäre überrascht und erfreut, wenn es nicht so wäre – werden sich mir persönlich neue Grundsatzfragen stellen.
Etwas kraus kommt mir der Kuselkopp vor, den Reinecke zum Thema Merz macht. Die Grünen würden auch dieses Hindernis überwinden. Es sei denn, der Kerl ist wirklich komplett bescheuert. Bei solchen Sauerländern ist alles denkbar. Die Grünen könnten sich als künstliche Beatmer der ablebenden Volkspartei CDU erweisen. Ist das das Beste fürs Land? Und fürs Klima? Und für die Absaufenden im Mittelmeer und in den von Ratten überfallenen Zeltlagern? Ich zweifle daran.
Werden die Rüstungs- und die Agroindustrie ihr klammheimliches Jubeln nicht verbergen können? Spätestens das wäre ein untrügliches Zeichen, dass an völlig neuen emanzipatorische Optionen gearbeitet werden muss. Besser jetzt schon damit anfangen – wesentlicher als Partei- sind gesellschaftliche Optionen. Die gibt es zum Glück schon. Sie müssen gestärkt werden, egal wer regiert.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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