Kein Dämon und kein Hexenwerk – it’s the economy, stupid! / Straftäter Benko im TV
Sollen wir in Bonn nun stolz sein, dass wir ihn aus dem Viktoria-Carré vertrieben haben? Oder ist das skurril, weil unser Kaff für so einen zu klein und pissig ist? Wahrscheinlich stimmt beides. Die journalistischen Corsettstangen des WDR, Ingolf Gritschneder und Georg Wellmann haben sich den verurteilten Straftäter René Benko gestern Nacht in der ARD zur Brust genommen. Immerhin 1,2 Mio. sollen kurz vor Mitternacht geguckt haben. Ein optischer Aufruf zum Klassenhass, berechtigtem. Gucken Sie hier. (ein Jahr Mediathek)
Ich gestehe offen, dass der Anblick des Herrn Benko und der zahlreichen Menschen, die seine und seines Geldes Nähe suchten, in mir Gewaltfantasien mobilisierte. Unser Sozial- und Bildungssystem hat mich zum Glück mit Kultur und Hirn ausgestattet, um das einzuhegen, um es in demokratische politische Bahnen zu lenken. Diese Mobilisierung ist dringend notwendig. Würde sie absterben, täte die Demokratie, ganz zu schweigen von sozialer Gerechtigkeit, es auch.
Es hat natürlich keinen Zweck, die Figur Benko zu dämonisieren. Intelligente Mitglieder der herrschenden Klassen müssten bedauern, wie offen der kriminelle Geldwäsche, Steuerflucht und den kostengünstigen Einkauf ganzer Zwergstaatenregierungen (Österreich), aber auch leibhaftiger Bundesminister diverser Parteien, zur Schau stellt. Andere mögen kalkulieren: solange der an der Rampe steht, kümmert sich keine*r um mich.
Ein Detail haben die Filmautoren weggelassen: dass der Bundesfinanzminister, nebenbei “Kanzlerkandidat”, schon in seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister die politische Zusammenarbeit mit dem Korruptionsstraftäter pflegte.
Würde der Herr Benko eingesperrt, würden andere seine Marktanteile erobern. It’s the economy, stupid! Grund, Boden, Immobilienwirtschaft müssen dem Zugriff privaten Konzernkapitals entzogen werden. Lobbytätigkeiten gewählter (Ex-)Politiker*innen gehören verboten. Kriminelle Geldwäsche muss endlich politisch und justiziabel verfolgt, und Kapitalflucht unterbunden werden. In den reichen kapitalistischen Ländern wäre das alles kein Hexenwerk. Sie tuns halt nicht, weil sie es können. Weil wir sie lassen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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