Am 12. Mai lädt BMW zur virtuellen Jahreshauptversammlung ein. Und Deutschlands Automobilkonzerne stehen wieder einmal in der Kritik. Sie haben in der Pandemiezeit Kurzarbeitergeld kassiert und von den staatlichen Zuschüssen beim Kauf von Elektroautos profitiert. Jetzt schütten sie milliardenschwere Dividenden aus. Der BMW-Chef forderte noch eine staatliche Abwrackprämie. Zudem hat BMW – wie viele deutsche Konzerne – Niederlassungen In diversen Staaten, die als Steueroasen eingestuft sind (z.B. Curacao, Hongkong, Luxemburg, Malta, Niederlande, Panama und Singapur). Als ob es darum ginge, den alten kapitalismuskritischen Spruch zu bestätigen: Verluste werden verstaatlicht, Gewinne privatisiert.
Bei BMW sollen für 2020 Dividenden in Höhe von 1,64 Mrd. € ausgeschüttet werden, wovon 770 Mio. € an die beiden Haupteigentümer, die Geschwister Susanne Klatten und Stefan Quandt fließen. Andererseits hat BMW hohe Zahlungen an Kurzarbeitergeld erhalten, zeitweise für 30.000 Beschäftigte (Kurzarbeitergeld wird zwar teilweise aus Versicherungsprämien der Unternehmen bezahlt, doch reichen diese derzeit bei weitem nicht aus).
Da fällt einem der Vorschlag von Kevin Kühnert ein, dem früheren Jungsozialisten-Bundesvorsitzenden. Er hatte sich im Mai 2019 in ZEIT ONLINE für eine „demokratische Kollektivierung“ von Großunternehmen ausgesprochen und dabei BMW genannt. Auch wenn er diesen Schritt nur als Option bezeichnete und eine Reihe anderer Vorschläge zur Reform unserer Gesellschaft nannte (Umverteilung der Gewinne, Bekämpfung der Einkommens- und Vermögensschere, höhere Erbschaftssteuer, mehr Eigentum an Wohnraum), sorgte gerade diese Idee für heiße Diskussionen und große Empörung..
Kollektivierung bedeutet Überführung von Privat- in Gemeinschaftseigentum (z.B. in Genossenschaften oder an die Belegschaft), insbesondere von Grund und Boden, Naturschätzen oder landwirtschaftlichen und gewerblichen bzw. industriellen Produktionsmitteln. Das Grundgesetz kennt diesen Begriff nicht, befasst sich jedoch mit Enteignung, Vergesellschaftung und Gemeineigentum.
Artikel 14 gewährleistet das Eigentum, betont die Sozialpflichtigkeit des Eigentums und bestimmt, dass „eine Enteignung nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig ist. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt.“ Art. 15 legt fest, dass „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden“ können.
Unabhängig von der Frage, ob, wo und unter welchen Gegebenheiten von diesen Möglichkeiten Gebrauch gemacht werden sollte, bleibt die Frage, ob Kühnert bewusst BMW erwähnt hat (ZEIT ONLINE vom 1.5.2019, Paywall). Lohnt sich ein genauer Blick auf die Struktur und die Vergangenheit dieses Unternehmens?
BMW ist 1917 aus den Rapp-Motorenwerken entstanden und baute hauptsächlich Flugmotoren. Nach 1945 stellte BMW zunächst vor allem Motorräder her, bis 1952 eine teure Luxuslimousine und 1954 das Rollermobil Isetta auf den Markt kamen. Diese erzielten keine großen Erfolge, so dass BMW 1959 nahezu pleite war und der Vorstand und Aufsichtsrat vorschlugen, das Unternehmen an Mercedes-Benz zu verkaufen. Eine Ablehnungsfront, gebildet aus Belegschaft und Betriebsräten, BMW-Händlern und Kleinaktionären, wehrte das Übernahme-Angebot ab.
BMW blieb selbständig, war aber wirtschaftlich nicht in der Lage, attraktive Fahrzeuge zu entwickeln. Da erklärte sich der Industrielle Herbert Quandt bereit, nach einem Kapitalschnitt eine anschließende Kapitalerhöhung durchzuführen, bei der er die nicht an den Mann gebrachten Aktien selbst übernehmen werde. Dadurch stieg der Kapitalanteil der Quandt-Gruppe auf ca. 60 Prozent.
Quandt hatte sein Vermögen in der Zeit des Zweiten Weltkriegs mit kriegswichtigen Produktionen gemacht. Dazu hatte auch die günstige Übernahme von Unternehmen beigetragen, die von den Nationalsozialisten enteignet worden waren. In Quandts Betrieben waren vielfach Zwangsarbeiter eingesetzt.
Die Rettung von BMW wäre wahrscheinlich ohne staatliche bayrische Unterstützung nicht möglich gewesen. Die Regierung half mit Subventionen, Bürgschaften und Krediten. Bis 1968 gewährte die Bayerische Landesanstalt für Aufbaufinanzierung BMW günstige Darlehen von knapp 90 Mio. DM.
Zudem fädelte der damalige Verteidigungsmister Franz-Josef Strauß ein lukratives Geschäft für BMW ein. Das Unternehmen erhielt 1959 einen Auftrag zur Lizenzproduktion von Triebwerken für das Kampfflugzeug Starfighter. Die korruptionsbehaftete Beschaffung dieses Abfangjägers war von Strauß durchgesetzt worden, weil er ein atomwaffenfähiges Flugzeug wollte. Aufgrund vielfältiger Mängel stürzte ein Drittel der deutschen Starfighter ab.
Heute geht es BMW blendend. So steht es auch an fünfter Stelle in der Liste der Großunternehmen, die Parteispenden leisten. Allein von 2000 bis 2011 haben die Bundestagsparteien von BMW 4,5 Millionen Euro erhalten.
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