Suizidal: die EU und former known as “der Westen”
Es war zur Zeit der ersten rot-grünen Bundesregierung, als öffentlich die Devise ausgegeben wurde, Deutschland müsse sich jetzt mal lockermachen und normalisieren. So wurde dann 1999 auch der erste Krieg seit 1945 offiziell begonnen, mit der leichthändigen Auschwitz-Profanisierung durch Joseph Fischer. Beim gekauften WM-Sommermärchen 2006, aus Versehen schon unter der Regentschaft der neugewählten Angela Merkel, wurde das dann ganz volkstümlich im ganzen Land verankert. Weltmeister wurde zwar Italien, aber es wurde so getan, als hätten “Wir” (WM-Dritter) gewonnen.
Danach schickte sich Deutschland an, in der EU die politische Führung kraftvoll zu übernehmen. Das tat öffentlich der deutsche Finanzminister, der, zeitweise über Medien des Springerkonzerns, dem die anderen dann jeweils brav folgten, mitteilen liess, dass “wir” die faulen Südländer*innen am Mittelmeer mit ihrem besseren Wetter und Essen nicht mehr durchfüttern wollen. Mit der Weltbankenkrise 2007/8 liess sich diese Unterrichtseinheit wirksam durchnehmen. Sie wurde in eine Krise der Staatsfinanzen verwandelt, indem die Staaten die Bankverbindlichkeiten übernahmen (“too big to fail”). In Griechenland gelang es so sogar die widerspenstige linke Regierung auszuwechseln. Die Griech*inn*en wissen jetzt, wo in Europa der Hammer hängt: in Berlin.
Dumm nur, dass, wenn Anführer Deutschland jetzt ruft “Mir nach!”, keine*r mehr folgen will. Sogar jetzt, nachdem sich der nicht minder konservative und in EU-internen Machtkämpfen oftmals nützliche Nebenbuhler UK per Brexit unter die beschützenden Flügel der USA verzogen hat. Jetzt gibt es schon einen passenden Kinofilm dazu. Zum Brexit selbst empfehle ich “Brexit – The Uncivil War”, die Verfilmung der Erinnerungen des britischen Regierungsberaters Dominic Cummings (Mediathek bis Ende Februar).
Wie schlecht es der EU unter deutscher Führung ergeht, dafür gibt es täglich neue Beispiele. Es personifiziert sich in der einstigen Zensursula und Flinten-Uschi, die ihre schlechtesten Gewohnheiten aus Berlin mitgebracht hat. Es führt weiter zur Unterwerfung unter die Interessen von Konzernlobbyist*inn*en im Informationswesen wie in der Landwirtschaft.
Selbst das Mauerbau wird von den Deutschen übernommen, in anderer Gestalt aber viel effizienterer Wirkung. Eine Spätfolge des altkolonialen rassistischen Denkens, das die herrschenden Eliten schon deswegen weiter kultivieren, weil es sich so herrlich zu politischen Interessen- und Bewegungsspaltungen eignet – und jede Illegalisierung profitable Schwarzmärkte verspricht. Dass es in einer globalisierten Welt zum Abhängen der Ökonomie von allen relevanten Innovationspotenzialen sorgt und eine Verschlechterung aussen- und entwicklungspolitischer Beziehungen mit sich bringt – das sollen dann, wie die Klimaerwärmung, die folgenden Generationen ausbaden.
Der deutsche Europäer an sich beschäftigt sich lieber mit sich selbst, und mit seinem unmittelbaren Nachbarn hinterm Zaun, bzw. der Mauer. Das ist gegenwärtig der Russe in der Ukraine. Ja, das wird gern vergessen, er ist schon da. Zählt aber nicht als Ukrainer*in. Der*die echte Ukrainer*in will es eben so, gerne beraten von Deutschen, die sich mit nationalen Sachen einfach besser auskennen.
Alexander Unzicker/telepolis beschreibt dieses Szenario in seinem Online-Zweiteiler durchaus treffend. Sein Mann- und Physiker-Sein stellt ihm auf der Zielgeraden noch ein verhängnisvolles Bein. Er kann sich einen Schlenker gegen Gendersprache und Diversity nicht verkneifen, und desavouiert damit beim Publikum den Zugang seiner vernünftigen Gedanken und Betrachtungen. Der Spaltpilz unter den Vernünftigen gedeiht, mehr Trockenheit wäre besser.
Schade eigentlich. Hoffentlich gehen vernünftige Realo-Gedanken, die heute am wenigsten bei den Grünen zu gedeihen scheinen, dabei nicht unter, die hier – für mich als Kriegsdienstverweigerer beschämend – mal wieder von einem Brigadegeneral a.D. kommen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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