Zum Israel-Gaza Krieg: “Ein Zivilist ist ein Zivilist ist ein Zivilist” – Zu zivilen Kriegsopfern der USA, im ukrainischen Bürgerkrieg, der russischen Aggression gegen die Ukraine und im Israel-Gaza-Konflikt / Terroranschlag / Krieg – Sollen die Waffen schweigen?

„Alle heutigen großartig mannigfaltigen Gruppen der Menschheit haben keine andere Mögllchkeit, als ‘Duldsamkeit zu üben und als gute Nachbarn in Frieden miteinander zu leben’. Wenn dieses Ziel einmal erreicht ist, wird es den endgültigen Sieg des Besten und Edelsten im Menschen darstellen -trotz der dunkel befleckten Seite seiner langen Geschichte.“ (aus der Grußbotschaft des UN-Generalsekretärs U Thant zum 15. Jahrestag der universellen Deklaration der Menschenrechte, 1963)

Diese Worte wurden vor 60 Jahren niedergeschrieben. Noch immer sind sie nicht sehr viel mehr als eine große Hoffnung. Den Preis des Krieges bezahlen bis heute unschuldige Menschen mit ihrem Leben.

Die Statistiken lügen nicht:

Zahl der Opfer des Terror-Anschlags vom 11. September 2001, USA: insgesamt 2.996;

  • 2.977 zivile Opfer,
  • 19 Selbstmordattentäter.

Zahl der zivilen Opfer im Ergebnis der Anti-Terror-Kriege der USA 2001-2023: 4,5 bis 4,7 Millionen, darunter

  • 432.093 direkte Kriegstote, sowie
  • geschätzte 3,6 bis 3,8 Millionen indirekte Kriegstote.

Gesamtzahl der konfliktbedingten Opfer in der Ukraine im Zeitraum 2014–2021:

„Das OHCHR (Büro des Hohen Kommissars für Menschenrechte der Vereinten Nationen) schätzt die Gesamtzahl der konfliktbedingten Opfer in der Ukraine vom 14. April 2014 bis zum 31. Dezember 2021 auf 51.000–54.000: 14.200–14.400 Tote (mindestens 3.404 Zivilisten, geschätzte 4.400 ukrainische Streitkräfte und geschätzte 6.500 Mitglieder bewaffneter Gruppen) sowie 37–39.000 Verletzte (7.000–9.000 Zivilisten, 13.800–14.200 ukrainische Streitkräfte11 und 15.800–16.200 Mitglieder bewaffneter Gruppen.“

Mindestzahl der im Ukraine-Krieg getöteten und verwundeten Zivilisten (24.Februar bis 8. Oktober 2023:

UNHCR verzeichnete 27,768 zivile Opfer im Land: 9,806 Tote und 17,962 Verletzte: Das beinhaltete 22,468 Opfer (7,649 Getötete und 14,819 Verletzte in den Gebieten, die von der Ukrainischen Regierung kontrolliert werden…sowie 5,300 Opfer (2,157 Getötete und 3,143 Verwundete in Territorien, die von der Russischen Föderation okkupiert sind…“ (eigene Übersetzung) Anmerkung: UNHCR geht davon aus, dass die Zahl der zivilen Opfer deutlich höher ist.

Am 31. Oktober hat der UN-Flüchtlingskommissar Grandi die Mitglieder des Sicherheitsrates auch darüber informiert und gefordert, dass die Opfer des Ukraine-Krieg nicht vergessen werden dürfen, und das auch dieser Konflikt gelöst werden muss. Gleichzeitig forderte er einen Waffenstillstand im Israel-Palästina-Konflikt, um die „Spirale des Todes“ anzuhalten.

Zahl der Opfer im Israel-Palästina Konflikt zwischen 2008 und September 2023:

165.827 Getötete bzw. Verwundete, darunter:

  • getötete Palästinenser: 6410
  • getötete Israelis: 308
  • verwundete Palästinenser: 152.800
  • verwundete Israelis: 6.308

Anmerkung: Die dort abrufbaren Zahlen zum 30.10.2023 hinsichtlich der Opfer am und nach dem 7. Oktober weichen substantiell von den flash- Updates des Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten ab.

Flash-Update des OCHA zu den Opfern des Israel-Palästina-Konflikts zwischen dem 7. Oktober und dem 31. Oktober 2023:

Gesamtzahl aller Opfer: mindestens 40.252 Menschen, darunter

  • getötete Palästinenser: 9648, davon 3.542 Kinder
  • getötete Israelis: 1.405 (die allermeisten davon aufgrund des Terroranschlags der Hamas)
  • verwundete Palästinenser: 23.752
  • verwundete Israelis: 5447

Weitere Opfer: 240 Geiseln israelischer und weiterer Nationalitäten. Ob sie noch leben, ist in den meisten Fällen völlig unklar. 1,4 Millionen Palästinenser sind intern vertrieben (30. Oktober 2023), 31 Journalisten (Nach Angaben des Komitees zum Schutz von Journalisten). Außerdem wurden bisher 64 Mitarbeiter der UNO im Gaza-Streifen getötet, wie aus der Unterrichtung des Sicherheitsrates durch den Leiter des zuständigen UN-Hilfswerks, Lazzari, vom 30. Oktober 2023 hervorgeht. Anmerkung: Die Opferzahlen der OCHA beruhen auf den Angaben der zuständigen Behörden im Gaza-Streifen bzw. der West Bank, sowie auf israelischen Angaben. OCHA sah keine Veranlassung, die berichteten Opferzahlen beider Seiten grundsätzlich zu bezweifeln.

Einem Aufruf zu einem humanitären Waffenstillstand im Israel– Palästina-Konflikt haben sich mehr als 200 humanitäre Organisationen angeschlossen. „Save the children“ (GB) veröffentlichte den Text dieses Aufrufs und die Liste der Unterstützer.

Der UN-Beauftragte des Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge Lazzarini schrieb am 26. Oktober unter anderem: „Die heutige Realität in Gaza ist, dass nicht mehr viel Menschlichkeit übrig ist und die Hölle hereinbricht.“ Er ist der Überzeugung, dass „die Geschichte uns alle richten (wird), wenn es keine Waffenruhe im Gaza-Streifen gibt.“ Auf der Sitzung des Sicherheitsrates am 30. Oktober wurde er noch deutlicher. Zur Bevölkerung im Gaza-Streifen erklärte er: “Sie haben das Gefühl, dass die Welt sie alle mit der Hamas gleichsetzt.“ Er hielt das für sehr gefährlich und stellte fest: „Eine ganze Bevölkerung wird entmenschlicht.“

Während dieser Sitzung des Sicherheitsrates am 30. Oktober heftete sich die israelische Delegation den gelben Stern auf die Brust, mit der Aufschrift „Nie wieder“. Den werde die israelische Delegation solange tragen, solange die Vereinten Nationen nicht den Terror der Hamas verurteilten und nicht alle Geiseln freigekommen wären. Der israelische Vertreter erklärte auch, dass die Hamas die „heutigen Nazis“ sind, und dass das ”islamische Nazi-Regime“ des Iran „überall auf der Welt den Terroristen hilft”. Anscheinend habe die Welt in 80 Jahren nichts dazu gelernt. Ihm schien, alle Welt hätte nur Augen für den Gaza-Streifen.

Der Vertreter Palästinas erklärte, Israel führe einen Krieg gegen Kinder. Alle fünf Minuten sterbe ein palästinensisches Kind. Alle Bewohner des Gaza-Streifens würden mit der Hamas gleichgesetzt. Die US-Vertreterin formulierte: „Ein Zivilist ist ein Zivilist ist ein Zivilist“ und erklärte, die USA setze sich in ihren bilateralen Beziehungen mit Israel dafür ein, dass das Völkerrecht respektiert werde. Die britische Vertreterin warnte vor einer Ausdehnung des Konflikts auf die ganze Region. Der russische Vertreter sprach von einer „Tragödie biblischen Ausmaßes“. Der Vertreter Frankreichs plädierte für eine Waffenruhe.

Im Sicherheitsrat kam es zu scharfen Wortwechseln zwischen Russland und den USA sowie zwischen China und den USA. Die USA warfen Russland vor, in der Frage einer Konfliktlösung keine Glaubwürdigkeit zu haben, da es selber ein Konfliktherd sei (Ukraine). China warf den USA vor, den Entschließungsantrag Brasiliens blockiert zu haben, der die Forderung nach einer Waffenruhe enthielt. Die USA kenne die Genese des Konflikts und ihre Rolle dabei. Aktuell mache sie den Weg zu einer weiteren Eskalation und zu einem regionalen Überschwappen des Konfliktes frei.

Die NYT berichtete, Bidens Unterstützung für Israel werde von einer größeren Portion Vorsicht begleitet. Wegen der humanitären Lage im Gaza-Streifen sei die Administration kritischer geworden. Dort war auch das Folgende nachzulesen:

“It became evident to U.S. officials that Israeli leaders believed mass civilian casualties were an acceptable price in the military campaign. In private conversations with American counterparts, Israeli officials referred to how the United States and other allied powers resorted to devastating bombings in Germany and Japan during World War II — including the dropping of the two atomic warheads in Hiroshima and Nagasaki — to try to defeat those countries.”

Eigene Übersetzung: „Es wurde US-Beamten klar, dass die israelische Führung glaubt, dass Massenopfer unter der Zivilbevölkerung ein akzeptabler Preis für den Militäreinsatz seien. In privaten Gesprächen mit amerikanischen Amtskollegen verwiesen israelische Beamte darauf, dass die Vereinigten Staaten und andere alliierte Mächte während des Zweiten Weltkriegs zu verheerenden Bombardierungen in Deutschland und Japan griffen, – einschließlich des Abwurfs von zwei beiden Atomsprengköpfen auf Hiroshima und Nagasaki – um diese Länder zu besiegen.”

Derweil richtete der US-Republikaner Lindsay Graham auf X (Twitter) am 31.10.2023 sein Augenmerk auf den Iran und verlangt von der Biden-Administration das Aufzeigen roter Linien: „Ist es eine rote Linie für den Iran, sofern der eine Attacke auf unsere Truppen inszeniert, die einen US-Amerikaner umbringt? Können wir den Familien, deren Angehörige im Irak und in Syrien dienen, öffentlich sagen, dass wir den Iran angreifen werden, wenn der über Stellvertreter einen Amerikaner tötet. Können wir das sagen?” (eigene Übersetzung)

Soviel zum Preis eines einzigen (amerikanischen) Lebens.

Über Petra Erler / Gastautorin:

Petra Erler: "Ostdeutsche, nationale, europäische und internationale Politikerfahrungen, publizistisch tätig, mehrsprachig, faktenorientiert, unvoreingenommen." Ihren Blog "Nachrichten einer Leuchtturmwärterin" finden sie bei Substack. Ihre Beiträge im Extradienst sind Übernahmen mit ihrer freundlichen Genehmigung.