Beueler-Extradienst

Meldungen und Meinungen aus Beuel und der Welt

Schlagwort: sexuelle Revolution

Michel Foucault – Die Abschaffung der Sexualität zugunsten der Religion

von Ulrike Heider
aus: Jahrbuch Sexualitäten 2016, Wallstein Verlag, hrsg. Maria Borowski, Jan Feddersen, Benno Gammerls, Rainer Nocolaysen und Christian Schmelzer, Göttingen 2016

Zu Beginn der achtziger Jahre beklagte man in der linken Szene und dem von ihr geprägten Kulturbetrieb eine rationalisierende Verharmlosung der Lust. So mancher sprach mit glühenden Augen von Gefahr und Risiko der Erotik. Viel zu viel gesprochen habe man über Sexualität und Sexual­unterdrückung, hieß es immer wieder. Alles habe man »zerredet« bis hin zur Auslöschung aller Leidenschaften. Unter dem Diktat von trockenen Marxisten, oberlehrerhaften Sexualaufklärern und pfaffenähn­lichen Psychoanalytikern sei die Sexualität um ihr Geheimnis betrogen und zur Lan­geweile verurteilt worden. Aufklärung, Offenheit, Gleichheit und Friedfertigkeit als Grundsätze in Bezug auf Sexualität wichen einer Nostalgie nach Verbot, Heimlichkeit und Hierarchie. Weiterlesen

Sex und Geschlechterkampf nach ’68

Anlässlich des 50. Jubiläums behandeln mehrere aktuelle Veröffentlichungen ganz unterschiedlicher Art die “sexuelle Revolution” von ’68. um die sich unzählige, meist aus ökonomischem Interesse – “Sex sells” – begründete Legenden ranken. Von der heutigen Wirklichkeit werden sie gebrochen, mal sanft, mal rauh. Dabei lasse ich die aktuelle #metoo-Debatte an dieser Stelle mal aus, weil sie den Rahmen sprengen würde.

Im Deutschlandfunk Kultur lief gestern ein schön desillusionierendes Feature zum Thema.

In der taz vom letzten Wochenende erzählt ein türkischer Fahrlehrer von den heute 18-jährigen, die in erster Linie davon gestresst zu sein scheinen, selbst Entscheidungen treffen zu müssen. Ein gesellschaftsdiagnostisches Highlight in der sonst so oberflächlichen Publizistik.

Agnieszka Holland, eine feministische Filmregisseurin polnischer Herkunft, also aus einem Land, in dem sich Geschlechter-, Klassen- und Demokratiekampf aktuell zuspitzen, scheint ein hochpolitisches Werk dazu abgeliefert zu haben. Ich habs nicht selbst gesehen, aber ihre Klarsicht im Interview macht neugierig.

Und Barbara Schweizerhof bespricht einen Film, der die aktuellen Beziehungsprobleme der überlebenden ’68er aktuell schmerzhaft scharf illustriert.

Leitkultur und Sex

Das Geschwätz von Leitkultur war schon immer schwer erträglich. In einem etwas schwergängigen Essay in der FR wird heute ein weiteres Mal erklärt, warum es mit unserer Demokratie nicht vereinbar ist.
Etwas bildstärker wird es aktuell in der europäischen Sexpolitik, europäisch, nicht morgenländisch! Die Missbrauchsaffäre im englischen Fußball (der Herren) hat in einer Weise publizistische Fahrt aufgenommen, dass es kaum noch nachzuzeichnen ist. Es gibt jedoch auch Beispiele aus der Zeit der glorifizierten “sexuellen Revolution”, die im Kern wohl nur eine Modernisierung der Ausbeutungsverhältnisse war. Was die früh verstorbene und verehrungswürdige Schauspielerin Maria Schneider seinerzeit mit “modernen” Männern ihrer Branche erleben musste, und was sie vermutlich für den Rest ihres Lebens traumatisiert hat, wie würden wir das heute einer “unterdrückten Kopftuchfrau” erklären? Wie konnten Männer mit dieser Arbeitsweise ihre Berühmtheit steigern und Preisehrungen aller Art sammeln? Was daran war noch mal genau “emanzipatorisch”?

Update 27.12.: drei Wochen benötigte die taz, um dann aber doch zu dem hier bezeichneten Diskurs-Vorgang einen ausgereiften hervorragenden Text von Mithu Sanyal zu veröffentlichen.

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