Beueler-Extradienst

Meldungen und Meinungen aus Beuel und der Welt

Schlagwort: Weinstein

“Grösste GroKo ist die SPD” / Digitale Wahrheitsfindung

Mike Groschek meint das: “Die grösste Grosse Koalition ist die SPD”. Diese Logik des einst “mächtigen” NRW-Landesvorsitzenden lädt zu zahlreichen Kalauern ein. Die “Grosse” Koalition kommt derzeit bei allen Umfrageinstituten auf 50%, beim AfD-nahen Insa ist sie weit darunter, ungefähr da, wo die SPD 1972 alleine war. Groschek wagt zahlreiche Vorhersagen: die SPD-Mitglieder stimmen mehrheitlich für die GroKo, Andrea Nahles wird Chefin. Und das Wichtigste: es wird Politik zur Verbesserung unserer Lebenslage geben. Glaubwürdig?
Der taz gelingt anlässlich Yücel-Freilassung und Münchener Unsicherheitskonferenz ein fast spiegel-artiges Stück (zu besseren Zeiten dieser Illustrierten; mit dabei: Ex-Jungdemokrat Pascal Beucker) über den Noch-Aussenminister Sigmar Gabriel. Dem wäre nur noch die Bemerkung von Arnd Henze (WDR, Hauptstadtstudio; ehem. “Dellbrücker Forum“) in der Tagesschau hinzuzufügen, Weiterlesen

#metoo und Körperpolitik

Die SZ hat heute ihr Interview mit der ehemaligen Schauspielerin Patricia Thielemann (“Es gibt viele Wedels da draussen”) hinter der Paywall versteckt. Bedauerlich. Online offen steht immerhin die Recherche über die skandalöse Missbrauchswelle im österreichischen Alpinsportteam in den 60er und 70er Jahren, in der der damalige “Startrainer” sowie die verstorbene Österreich-Ikone Toni Sailer führend und sturzbesoffen beteiligt waren – über viele goldmedaillenumschlungene Jahre.

Der Ablauf erscheint ähnlich, wie im Fall Wedel. Nach vielen traumabelasteten Jahrzehnten, mehr als einem halben Leben, wagt ein Opfer öffentlich zu sprechen. Und nachdem es eine gewagt hat, wagen es Weitere. Weinstein, der Publicity-Experte, wusste vorher von solcher Lawinengefahr Weiterlesen

#metoo & Frida Kahlo

Die verehrungswürdige Salma Hayek hat einen tollen Coup gelandet. In allen, wirklich allen Medien der westliche Hemisphäre ist sie mit ihrer Darstellung der eigenen Betroffenheit in der Weinstein-Affäre durchgedrungen. Wie die FAZ zutreffend bewertet, ist es ihr dabei besonders gut gelungen, die Herrschaft über die Produktionsverhältnisse Hollywoods und der Filmbranche offenzulegen.
Noch besser gelang es ihr mit dem Film selbst, mit “Frida Kahlo“, eine künstlerisch und mit einem ökonomischen Kraftakt verbundene klare feministische Position zu beziehen, und zwar ohne daraus ein plakatives Propagandawerk zu machen. Alle Widersprüchlichkeiten des wahren Lebens, einst zu Kahlos Lebzeiten, als auch in der Gegenwart, finden Sie in diesem Film wieder, der 2003 zu Recht einige “Oscars” abgeräumt hat (mit unzähligen weiteren Nominierungen).
Dass Hayek eine Meisterin der Eigen-PR ist stimmt sicher. Wenn es für eine so gute Sache ist, Transparenz und Verschiebung von Produktions- und Machverhältnissen, dann wünschte ich, es gäbe mehr Hayeks.

Fliegende Männer

Männer wollen jetzt – freiwillig! – Opfer sein. So weit ist es mit der feministischen Revolution schon gekommen. Seit Harvey Weinstein melden die Medien täglich einen prominenten Mann, der fliegt. Aus seinem Job, in der Regel einem privilegierten, hochbezahlten.
Ja, die Übergriffigen waren und sind überall. Neu ist, dass immer mehr von ihnen fliegen. Verdächtig ist eher, wenn es in relevanten Bereichen des Lebens angeblich keinen geben soll.
Der männliche Opferdiskurs geht so: ich weiss gar nicht, was jetzt noch erlaubt ist. Es gibt eine einfache Lösung: frag’ (D)eine Frau. Oft sind die ja doch sehr hilfsbereit.
Eine gute Ratgeberin, das nur als Tipp für meine Mitmänner, ist Margarete Stokowski, Kolumnistin einst bei der taz, in der Honorartabelle seit langem und verdientermassen zu Spiegel-online aufgestiegen. Immer hilfsbereit-ratgebend und sachlich. Ich mag ja mehr das Untermischen gut dosierter Giftspritzen, wie es Silke Burmester meisterinnenhaft beherrscht, z.B. In diesem kleinen Kunstwerk in der SZ. Aber Stokowski ist inhaltlich und politisch genauso geradeaus und für Spiegel-Leser vielleicht besser verträglich.
Härter ran ging letzte Woche in der Jungle World Paula Irmschler.
Es bewegt sich was. AfD-Männern macht sowas Angst. Das macht mir Spass. Der Sadist in mir 😉

Lückenpresse im Kampf mit sich selbst

Stefan Niggemeier ist wohl deswegen einer der besten deutschen Medienjournalisten, weil er sich manchmal beängstigend hartnäckig in einen Streitgegenstand verbeissen kann. Jedenfalls wählt er sich keine Schwächere als Opfer, sondern aktuell den Verband Deutscher Zeitungsverleger mit dem Multimilllionär und Friede-Springer-Liebling Matthias Döpfner. Respekt und Kompliment!

Georg Seesslen benutzt – unnötigerweise – die Konstruktion einer “fiktiven Filmbesprechung” in der Jungle World, um nicht dem Menschen sondern dem Systemphänomen Harvey Weinstein zu Leibe zu rücken. Seesslen, immer lesenswert und intellektuell bereichernd.

Friedrich Küppersbusch, Leser dieses Blogs, kommentierte im Deutschlandfunk den Streit zwischen Verlegern und öffentlich-rechtlichen Journalist*inn*en. Er selbst ist als für private wie öffentlich-rechtliche Sender dienstleistender selbstständiger Produzent sein eigener Chef und pflegt wie immer das offene Wort. Subtil bricht er eine Lanze für das, was er selbst macht, gesellschaftspolitische Themen so boulevardesk zu verpacken, dass sie auch von dümmsten TV-Glotzer*inne*n verstanden und – so die Hoffnung – nicht ausgeknipst werden.

Thematisch gut anschliessend an einen vielgelesenen Text von Roland Appel im Extradienst beschäftigt sich ein Interview der in der Netzgemeinde meinungsführenden Kolleg*inn*en von netzpolitik.org mit Frank Pasquale mit den notwendigen politischen Regulierungen der Konzernmonopole im Netz.

Der Fall Weinstein(s)

von Bettina Gaus
So lange sexuelle Übergriffe und Gewalt auf Verständnis treffen – es sei denn, sie werden von Migranten verübt –, wird sich gar nichts ändern.

Macht, wie umfassend sie auch zu sein scheint, ist stets bedroht. Das Leben des einst einflussreichsten Filmproduzenten von Hollywood hat sich binnen weniger Tage in ein Trümmerfeld verwandelt. Die von Harvey Weinstein selbst gegründete Produktionsfirma hat ihn gefeuert, seine Ehefrau hat ihn verlassen, seine Anwältin ihr Mandat niedergelegt. Wer ihm noch gestern huldigte, kann sich jetzt nicht schnell genug von ihm distanzieren. Freunde scheint der Mann nicht zu haben.

Die Zahl der Frauen, die ein Verhaltensmuster von Weinstein beschreiben, das in sexuelle Übergriffe, Nötigung und sogar Vergewaltigung mündete, ist hoch. Allzu hoch, als dass der gesunde Menschenverstand noch Zweifel am Prinzip erlaubte, selbst wenn der Beschuldigte nicht – wie geschehen – zumindest eine Teilschuld eingeräumt hätte.

Es ist wahr: Die Unschuldsvermutung hat bis zum Beweis des Gegenteils zu gelten, selbstverständlich auch für den Hollywood-Mogul. Aber entgegen einer weit verbreiteten Annahme sind es eben nicht nur Gerichte, die über die Plausibilität von Vorwürfen zu entscheiden haben. Weiterlesen

© 2024 Beueler-Extradienst | Impressum | Datenschutz

Theme von Anders NorénHoch ↑