Das Marktforschungsinstitut “Institut für Demoskopie” mit Unternehmenssitzen in Allensbach und Bonn gilt als der CDU/CSU nahestehend, so lange ich denken kann. Gründerin Noelle-Neumann war mit Helmut Kohl befreundet. Ihre Nachfolgerin Renate Köcher versucht es mit Angela Merkel zu sein, wird bisweilen als Referentin zu Fraktions-Klausurtagungen geladen. Der Wikipedia-Eintrag ihres Unternehmens scheint sie nicht sehr zu interessieren – er ist für Wikipedia-Verhältnisse recht negativ geraten. Am Bodensee nehmen sie an “Edit-Wars” nicht teil.
Die Sonntagsfrage der Allensbacher*innen funktioniert anders, als bei den anderen Instituten. Sie wird nicht wöchentlich, sondern nur einmal im Monat veröffentlicht – gewöhnlich exklusiv in der FAZ (bisher nicht online). Der Befragungszeitraum erstreckt sich über zwei Wochen. Das Ergebnis ist dadurch evtl. weniger “aktuell”, unterliegt dafür vielleicht weniger tagesbedingten Stimmungsschwankungen. Kein einziges Institut veröffentlicht seine Rezepte, welche Rohdaten es erhält, und nach welchen Kriterien es sie anschliessend “gewichtet” – nur die Forschungsgruppe Wahlen/ZDF veröffentlicht dazu Zahlen. Natürlich wird von allen – je nach Kundschaft – auch selbst (Unternehmens-)Politik gemacht.
Ein langer Vorspruch für die schlichte Nachricht: laut Allensbach ist die SPD im Befragungszeitraum 3.-17.4., also noch vor ihrem Parteitag, von 19 % im Vormonat auf 20,5% gestiegen.
Für Sie und mich mag das wie der umgefallene Reissack in China sein – in Berlin wird es für Aufregung gesorgt haben.

Ein gutes Zeichen immerhin: die SPD streitet endlich öffentlich – und damit stellvertretend für die Gesellschaft, früher haben das lange die Grünen getan – über die Russlandpolitik ihres Aussenministers. Das Ansinnen des Textes “Dialog statt Eskalation” bricht also politisch endlich durch. Neben Antje Vollmer hat vor allem Mitverfasser Günter Verheugen durch seine offensive Interviewpolitik daran gearbeitet. Albrecht von Lucke hat soeben in den Blättern eine schlüssige Begründung dafür geliefert. Die USA von Trump fallen als Beschützer, Ordnungsmacht, Bündnispartner ersatzlos weg; an ihre Stelle tritt ein Vakuum. Wir müssen uns also um unsere Politik und unsere Interessen selbst kümmern und sie sehr weitgehend neu definieren.
Das verändert auch die – von Macron bereits attackierte – deutsche Führungsrolle in der EU. Dort muss die Bundesregierung jetzt mit Kooperationsangeboten statt Diktaten (“Regeln müssen eingehalten werden”) überzeugen. Beispiel: wer Russlandsanktionen aufheben will um davon zu profitieren, muss, um davon zu überzeugen, bereit sein, den damit einhergehenden Profit geschwisterlich zu teilen ….

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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