Nun hat es der Bayer-Konzern schneller als vermutet herausgelassen: Einige Tage vor der Investorenkonferenz – Investoren kann man damit immer begeistern – kündigt Bayer-Chef Baumann Stellenstreichungen in fünfstelliger Höhe an. Nein, wir haben keine Wirtschaftskrise, wir haben weltweites Wachstum – aber früher als gedacht haben Größenwahn und Spielermentalität von Vorstand und Aktionären dafür gesorgt, dass die Aktie in den Keller und das im Prinzip kerngesunde Unternehmen vor der Wand steht. Gegen jede Vernunft hat sich Bayer im Sommer den US-Saatgutriesen Monsanto einverleibt und dafür 53 Milliarden Euro auf den Tisch gelegt. Über Machenschaften des zwielichtigen US-Gentechnikkonzerns habe ich im April hier ausführlich geschrieben. Dass es mit nahezu 99%iger Sicherheit zu erwarten war, dass Monsanto, gegen das mehrere tausend Kläger in den USA und weltweit vor Gerichte ziehen, früher oder später zu erfolgreichen Schadenersatzprozessen kommen würde, war für jeden vernünftig denkenden Menschen da schon offensichtlich.
Aber börsengetriebene Manager sind eben keine vernünftig denkenden Menschen, wenn sie von der Gier erfasst werden. Es sind vielmehr, so beschreibt es der US-Wirtschaftsjournalist Michael Lewis in seinem Buch “Europas harte Landung in der Finanzkrise von 2007-2009 – Boomerang” – schwanzgesteuerte Spielertypen, deren aus der Urzeit stammendes (Stamm-)Sauriergehirn bei der Aussicht auf kurzfristige Befriedigung, Belohnung in Form von Gewinn jede Vernunft des Großhirns überstimmt.
Er beschreibt, wie sich um den Höhepunkt der US-Immobilienkrise um 2007 die Börsenmakler von Wallstreet fragten, wer überhaupt noch ihre mit faulen Krediten vollgepumpten Ramschpapiere kaufen würde: “Those Idiots from Dusseldorf!” war die sinngemäße Antwort und gemeint waren die Banker von Deutscher und Commerzbank, vor allem aber IKB und West-LB, die in USA zwischen 15 und 40 und in Irland wohl 140 Milliarden Euro verzockt haben – in Delaware sogar eine Bank namens “Rhineland Funding” gründeten genaues ist bis heute nicht bekannt. Mit welchen Geldern diese “systemrelvanten” Banken gerettet werden mussten, ist auch bekannt. Michael Lewis beschreibt aber noch etwas anderes, nämlich dass es vor allem die kulturellen Unterschiede waren, die deutsche Banker verführten, Schrottpapiere en Masse in USA zu kaufen: Während US-Börsenmakler damit zwar ihre Banken ruinierten, selbst aber zwei- oder dreistellige Millionengewinne in ihre Taschen steckten, und kaum einer zur Rechenschaft gezogen wurde, taten das deutsche Banker – von Josef Ackermann abgesehen – für ein Jahresgehalt von um die 100.000 €. Sie waren völlig naiv und rechneten nicht damit, dass das internationale Finanzsystem inzwischen nicht dazu dient, sich gegenseitig Geld zu leihen, sondern einen Dummen zu finden, der bereit ist, einen wertlosen, aber bunt verpackten Haufen Fäkalien für Unsummen zu erwerben.
Nichts anderes haben vermutlich die Manager von Monsanto bzw. deren Aktionäre mit Bayer gemacht. Denn wenn Baumann heute behauptet, die große Zahl der Kläger wäre nicht absehbar gewesen, muss man sich fragen, ob seine Finanzleute bei der solchen Käufen voraus gehenden “due dilligance” Augen und Ohren verschlossen haben oder ob er schlichtweg keine Zeitung liest. Vielleicht ist es aber auch nur die Überzeugung, dass wer nur genügend Geld habe, um genügend Gutachten kaufen zu können, die behaupten, dass Glyphosat oder im US-Jargon “Roundup” völlig harmlos sei, damit schon durchkäme.
So schloss Baumann diesen “Deal” ab und erwarb eine der verhasstesten Firmen des Planeten Erde. Wenige Wochen später gewann der erste Kläger mit Krebs seinen Prozess gegen Monsanto. Seitdem ist die Bayer-Aktie auf rasanter Talfahrt, rollt eine Prozesslawine mit zu befürchtenden Schadenersatzmilliarden auf den Bayer-Konzern zu. Der gute weltweite Ruf von Bayer (Aspirin) als Arzneimittelhersteller steht gleich mit auf dem Spiel. All dies war so sicher voraussehbar, dass man – aufgrund der Erfahrungen, die schon naive Banker machen mussten – den wahrscheinlich weiteren Fortgang eigentlich schon beschreiben kann: Zunächst werden jetzt einmal 12.000 Arbeitsplätze, viele davon in Deutschland vernichtet, dann die Doppelstrukturen verschlankt und neue Produkte gesucht. Nicht auszuschließen ist, dass Bayer, wenn die Talfahrt weitergeht, dabei früher oder später auf Forschungsmittel der öffentlichen Hand zurückgreifen wird, um sich auf diese Weise zu gesunden. Wenn es aber ganz schlecht geht und die Aktie immer tiefer in den Keller geht, werden am Ende genau die US-Investoren einen sanierten Bayer-Monsanto-Konzern für kleines Geld übernehmen, aus dem sie ihr Geld wegen der drohenden Prozessflut 2018 in Sicherheit gebracht haben. Dann ginge der Arbeitsplatzabbau in Deutschland anschließend drastisch weiter und Donald Trump hätte seine Freude an alledem. Natürlich ist das nur ein Szenario – aber eines auf das der Bayer-Chef durch einfaches Nachdenken hätte kommen können, bevor er den Deal machte. Aber wie gesagt – strategisches Denken findet im Großhirn statt.
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