Gefühle haben einen grossen Einfluss auf Politik. Das ist nicht neu, sondern gaaaanz alt. Das Gequatsche, das sei durch neue Medien so geworden, ist unterhaltsamer Blödsinn. Siehe “Das Leben des Brian”! Dass es schon immer so war, soll es nicht verniedlichen. Es ist eine ernste Sache. Auch jetzt.
Am heutigen Fridayforfuture dominiert bei vielen Euphorie. In über 100 Ländern gehen Jugendliche für eine andere Politik auf die Strasse. Das Gefühl globaler internationaler Solidarität ist für alle Engagierten erhebend und sexy.
Auch der politische Nahkampf enthält schöne Erfolgserlebnisse. Rezo und die CDU (hat mit über 7 Mio. jetzt die Tatort-Liga erreicht), die FPÖ-Faschos zur Kenntlichkeit enthüllt, die Diskursdefensive von FDP bis AfD ist eine Freude. Viele Medien malen mit an diesem Bild für das gute Europa, das gute Österreich, das gute Deutschland. Sie klopfen sogar heute schon regelverletzend heftig auf Holz, weil die Sozis angeblich in den Niederlanden gewonnen haben sollen, obwohl doch erst am Sonntagabend Ergebnisse mitgeteilt werden dürfen.
Kann sein, dass die gleichen Medien dann am Sonntagabend beginnen Depressionen zu verbreiten. Denn wenn die Basis der Rechten sich wenig am Diskurs beteiligt, und an Klimademos überhaupt nicht – zweifellos ein Erfolg im Kampf um Diskursmacht – heisst das nicht, dass sie sich in Luft auflösen. Gegeben hat es sie auch zu Zeiten, als behauptet wurde, sie seien verschwunden. Zu Zeiten der 68er zog die NPD in Landtage ein (1964-69), in TV-Strassenumfragen wurde offen und schamlos “Kopf-ab!” gefordert. In den 80ern zur Hochzeit der Friedensbewegung zogen die “Republikaner” mit erfahrenen Nazis ebenfalls zweistellig in Landtage ein (zweimal in BaWü, 1989 sogar ins Europaparlament mit 7,1%) – in Westdeutschland/BRD! Und sie sind auch nicht weg, nur weil sich ihre österreichischen Brüder bei Korruption erwischen lassen, und Rezo ein paar Tage den Mediendiskurs dominiert.
Am Sonntag ist nicht nur Kommunalwahl in Bremen, sondern in 10 (! von 16) Bundesländern, darunter alle ostdeutschen. Da werden Alltagsstrukturen für 5 Jahre bestimmt. Auch in anderen EU-Ländern werden weitere Wahlen abgehalten, z.B. Kommunalwahlen in Spanien, mit den derzeit linksregierten Madrid und Barcelona. Es wird keine Party, es wird Rückschläge geben. Aber keinen Grund zu Depressionen. Denn die Welt wird sich weiterdrehen, noch eine Weile auf jeden Fall. Und dass das so bleibt, dafür müssen wir sorgen. Egal, wie Sonntag gewählt wird.

Bonner Grünen-Kandidatin im FAZ-Interview

Für Alexandra Geese, Platz 17 auf der Kandidat*inn*enliste der deutschen Grünen, wird es Sonntag besonders spannend. Bei 17% oder mehr wird sie Europaabgeordnete. Unter 17% bleibt sie Dolmetscherin. Hier erzählt sie, wie spannend beides ist.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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