Nein, wir haben noch keine Verhältnisse wie in Italien, wo der Rassist und Rechtsextremist Salvini als Innenminister die Genfer Flüchtlingskonvention mißachtet, Menschen im Mittelmeer ertrinken lässt und Hetzreden gegen Migranten hält. Aber wir haben eine Innenministerkonferenz, der ein Horst Seehofer angehört, der an der Erfolgsgeschichte der AfD 2016 und 2017 einen Löwenanteil hatte, indem er als Innenminister die Parolen der Rechtsextremisten, ihre Überfremdungsrhetorik und ihre Angstmache übernahm und als bürgerliche Politik adelte. Diese Innenministerkonferenz hat wieder ihren ganz speziellen Beitrag zu dieser Art von “Kultur” geleistet.

Der ganz große Lauschangriff für alle

Da war im Vorfeld zunächst die Begehrlichkeit der furchtbaren Strafverfolger, die in viel zu vielen Haushalten von offensichtlich naiven Zeitgenossen freiwillig installierten Überwachungsgeräte eines US-Konzers namens “Alexa” für den ganz großen Lauschangriff zu nutzen. Als ob Kriminelle oder Terroristen so dumm wären, sich die privaten 24-Stunden-Schnüffler ins Haus zu holen! Was sich also vornehmlich gegen unbescholtene Bürger richten würde, sollte trotzdem instrumentalisiert werden, um die Überwachungsmöglichkeiten des Staates massenhaft zu steigern. Nur totalitäre Denkweisen furchtbarer Juristen können solche Gedanken entwickeln. Es scheint sie 70 Jahre nach Verabschiedung des Grundgesetzes wieder in deutschen Innenministerien zu geben.

Syrien plötzlich sicher?

Am Donnerstag kündigte ein NRW-Innenminister Herbert Reul im ARD-Mittagsmagazin für Flüchtlinge aus Syrien an, dass man jetzt dorthin möglicherweise wieder abschieben könne, denn die Verfolgungssituation habe sich geändert. Auf die erstaunte Frage des Moderators, da sei doch Assad immer noch an der Macht, schwadronierte er etwas über notwendige sorgfältige Einzelfallprüfungen und bewies, dass er wohl – von keiner Sachkenntnis getrübt – vor allem den Willen zur Abschiebung um jeden Preis demonstrieren wollte. Ich kenne Herbert Reul aus unserer gemeinsamen Zeit im Landtag NRW. Er war Generalsekretär der CDU, ist persönlich kein schlechter Kerl, aber von Rechtstaatlichkeit versteht er etwa so viel, wie die Kuh vom Klavierspielen – und ist doch Verfassungsminister in NRW – was die FDP mit zu verantworten hat. Aber Reul hat sich offensichtlich mit seinem sicheren Absurdistan nicht durchsetzen können, der Abschiebestopp nach Syrien wurde von der IMK bis Ende des Jahres verlängert.

Indirekt Vorurteile bedient

Trotzdem bedient die IMK indirekt fremdenfeindliche Vorurteile bezüglich der  Kriminalitätsbekämpfung. Gegen “Klan-Kriminalität” wolle man nun vordringlich vorgehen, heisst ein Ergebnis der IMK. Gegen organisierte Banden gibt es Gesetze, z.B. den § 129 StGB. Das Strafrecht fragt nicht danach, ob jemand schwäbisch, türkisch, italienisch oder kölsch eine Bande gründet. Ob es Familien, Skatbrüder, Klassenkameraden oder Sportsfreunde sind. (Bei Autokonzernen in Sachen Diesel-Abschaltvorrichtungen gelten wohl Ausnahmen). Und auch die angeblichen “Messermänner” der AfD (Weidel) wurden von der IMK im Sinne der AfD bedacht: Die “Zonen öffentlicher Sicherheit mit Messerverboten” sollen kommen. Nicht auszudenken, wenn in den entsprechenden Zonen eine Fleischerei oder eine Änderungsschneiderei liegen. Möglicherweise von Eigentümern mit Migrationshintergrund! Gibt es dann Durchsuchungen am laufenden Band? Und was passiert, wenn ich mein gerade im Haushaltswarengeschäft gekauftes neues Kochmesser per ÖPNV nach Hause bringen will und deshalb z.B. den Kölner Bahnhof betrete?

All dieser Unsinn dient nur einem einzigen Ziel: “Handlungskompetenz” zu demonstrieren und damit billigend in Kauf zu nehmen, dass das AfD-Weltbild weiter schleichend in die Köpfe dringt, ihm zumindest nicht widersprochen wird. Das aber wäre dringender notwendig, als den verunsicherten sogenannten “besorgten Bürgern” nachzulaufen. So kann eine Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus der AfD nicht erfolgreich sein.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net