Rainer Balcerowiak/taz hält ein Requiem über #aufstehen ab. Und kann in seinem Fazit am Schluss von seiner Sehnsucht nach so etwas Ähnlichem nicht ablassen. Wer so ein schönes Werk wie “Das demokratische Weinbuch” (von mir gelesen und in meinem Besitz) verfasst hat, kann nicht doof sein. Warum kommt er also zu diesem falschen Schluss?
Über die EU wird gelegentlich gelästert, wenn jemand was von ihr wolle, wisse niemand, wo angerufen werden muss. Was hier vielleicht ein dümmlicher Scherz ist, ist für politische Basisbewegungen natürlich richtig. Die professionellen Institutionalisierungen der deutschen Friedensbewegung der 80er Jahre haben zwar als Knowhow und Nostalgie der Älteren überlebt. Aber nicht als politische Bewegungsform. In den Köpfen von Parteistrateg*inn*en und was-mit-Medien-Leuten geistert diese Vorstellung dennoch weiterhin herum. Dankbar wie ein Wolfsrudel umkreisen sie heute eine Bilderbuchfigur wie Greta Thunberg. Wie herrlich lassen sich hier wissenschaftlich komplexe Zusammenhänge selbst für Yellowpress und Boulevarddrecksblätter vereinfachen und zuspitzen. Auf dass das Geschäft weitergehe, wie es immer ging …
Im Kern handelt es sich um grassierenden Schwachsinn. Politik- und Medien-Geschäftsmodelle, die darauf bauen, gehen gerade unter, jetzt, in diesem historischen Moment. Wir alle können – die Einen entgeistert und verzweifelt, die Anderen mit einem “Endlich!” – dabei zusehen.
Was dagegen nicht stirbt sind gesellschaftliche Widersprüche und Bewegungen. Sie entstehen nicht im Kopf und am Schreibtisch von Spindoktor*inn*en in Hauptstadtzentralen, sondern nach Bedarf und Bedürfnissen (und können auch entsprechend wieder verschwinden). Wer ein Bedürfnis danach hat, mache einfach seine Sinne auf, um sie sehen zu können. und mache mit.
Balcerowiak benennt als kluger Kopf, der er ist, die Klimabewegung (und den politischen Profit, den die Grünen daraus ziehen) und die Mieter*innen*bewegung als Beispiel. Es wird keine Zentrale geben, die das alles zusammenfassen kann. Politik und Gesellschaft sind divers, wie es z.B. derzeit #unteilbar ist. Organisationsformen und Bewegungen, die das nicht sind, werden erfolglos bleiben.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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