Der FC Köln ist auf dem Boden der Wirklichkeit angekommen. 1:5 im Westfalenstadion, das ist ein deutliches Statement zum Spielvermögen und zur Klassenzugehörigkeit. Nein, wahrscheinlich müssen sie nicht absteigen. Sie sind schon unten, unten in der 1. Liga. Der BVB dagegen …
Hätte, hätte Fahrradkette. Hätte der FC seine erste Torchance nach dem Wiederanpfiff zum 1:2 so vollendet, wie es dem BVB in der 1. Halbzeit zum 1:0 gelungen ist, wäre es ein spannendes und offenes Spiel geworden. Warum? Selbst noch beim Stande von 3:1 für den BVB war zu erkennen, dass der nicht stabil war, und der FC an seine Chance glaubte. Die Körpersprache der Spieler war deutlich. Die FC-Spieler merkten auf dem Spielfeld, dass der Gegner immer noch schlagbar war.
Dass der kluge Favre in der 65. Minute den körperlich und im Kopf frischen Haaland bringen konnte, ist der Luxus des reichen westfälischen Fußballkonzerns. Um den FC zu erledigen, reichte das. Genauso markant klar ist jedoch, dass die 18-, 19-jährigen Stars beim BVB zwar fussballerisch hochbegabt und superausgebildet sind, aber charakterlich keine Chance haben, sich unter ihren materiellen Umständen zu einem sozialkompetenten erträglichen erwachsenen Menschen zu entwickeln. Wenn demnächst, wie überall in Europa, auch in der Bundesliga die 16-jährigen spielberechtigt werden, dann macht das die Bundesliga zwar noch starfunkelnder und beschleunigt die Kapitalzirkulation des Fußballkapitalismus. Charakterbildung der Spieler wird es dagegen eher sabotieren. Hans Schäfer wusste das. Aber im korrupten Business interessiert das nicht.
Ein anderer Gegner hätte den BVB heute umhauen können. Selbst für den FC hat nicht so viel gefehlt, wie es das Ergebnis auszusagen scheint.
Mein Tipp sind die Mateschitz-Puppen aus Leipzig. Dort haben sie das meiste Knowhow zusammengekauft. Eine Freundin meinte letztens zu mir, dass davon “Impulse für den Osten” ausgehen würden. Ich musste sehr lachen. Dabei ist es gar nicht lustig. Der “Osten”, das ist nicht RB sondern Lokomotive Leipzig, das ist Dynamo Dresden, Hansa Rostock, 1. FC Magdeburg, Energie Cottbus oder das soeben pleite gegangene Rot-Weiss Erfurt. Schauen Sie da mal nach, nach den “Impulsen”!
Das einzige gute Gegenbeispiel ist der schon zu DDR-Zeiten widerständige 1. FC Union Berlin, der auch in der Gegenwart ein nicht unumstrittenes (Immobilienkonzern als Trikotsponsor) aber unterm Strich seriöses Beispiel für fanverbundenen Fußball gibt. Union profitiert dabei von der spezifisch Berliner Polarisierung: viele Fans werden abgeschreckt von den grossmäuligen Geldsäcken bei Hertha BSC. Union steht zwar in der Tabelle noch vor Hertha, wird am Ende aber begeistert und überglücklich sein, wenn sie den Klassenerhalt schaffen. So ist die Fußballwirklichkeit, wenn sie nicht vom Grosskapital manipuliert wird. In Ost und West und dazwischen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net