Beueler-Extradienst

Meldungen und Meinungen aus Beuel und der Welt

Miteinander reden

Das Social Distancing, das der Welt als Anti-Pandemie-Strategie verordnet wurde, richtet nach nur einem Jahr sichtbare, teilweise lebensgefährliche Schäden an. Um es an dem heute gefeierten Gegenbeispiel zu verdeutlichen: Frau Baerbock und Herr Habeck sollen seit Jahren im gleichen Büro sitzen, sich also gleichsam täglich sprechen und sehen (!), sowie über einen gemeinsamen Mitarbeiter*innen”stab verfügen, dem es gelungen ist, ihre internen Verabredungen intern zu halten. Diese Technik wird zurecht bewundert, weil ihre Beherrschung sonst fast nirgends mehr zu sehen ist.
Mit den guten Beispielen bin ich damit schon zuende. Und möchte nicht missverstanden werden: was ich hier lobe, ist Kommunikationstechnik. Die Kritik an Politikinhalten von Baerbock und Habeck halte ich aufrecht.
Auf der Welt und in Europa gibt es Wichtigeres, als eine Grüne Kanzlerinkandidatur. Als ich gestern den Tagesschau-Bericht des von mir geschätzten Jo Angerer (Mitautor von “Es begann mit einer Lüge”) über die Gefahrenlage für das Leben von Alexej Nawalny sah, fragte ich mich, ob die EU den als Märtyrer Putins bewusst abkratzen lassen will. Denn statt von diplomatischen Bemühungen gegenüber dem Putinregime war folgend von einer “EU-Aussenministerkoferenz” die Rede. Geht es noch lächerlicher? Wer Nawalny retten will, auch wer die Kriegsgefahr zwischen der Ukraine und Russland bändigen will, muss dem Putinregime – endlich! – Angebote machen, die es nicht ablehnen kann. Wenn es stimmt, dass Putins Sympathiewerte sinken – wenn sie es tun, kann es nur an der desolaten ökonomischen Lage und dem Aussaugen des Landes durch Oligarchen liegen – dann helfen nur Hilfsangebote, die mit Bedingungen zu verbinden sind. Letztere dürfen zwar streng, müssen aber auch öffentlich gesichtswahrend sein. Ziel muss es sein, nicht nur für Nawalny, sondern für alle demokratischen Oppositionskräfte verbesserte Existenzbedingungen zu erreichen. Nicht öffentlich selbstbeweihräuchernd folgenlos zu proklamieren, sondern zu erreichen. Dafür ist Diplomatie erforderlich, also das klassische Berufsfeld von “Aussenminister*inne*n”.
Ansatzweise Beruhigung verschaffte mir, vermutlich unabsichtlich, Gesine Dornblüth/DLF, die heute morgen nebenbei berichtete, dass Joe Biden und Wladimir Putin miteinander (!) telefoniert hätten. Biden habe es danach vorgezogen, auf die Entsendung von US-Kriegsschiffen ins Schwarze Meer zu verzichten, und stattdessen bauernschlau die Briten vorzuschicken. GIs bleiben ungefährdet, falls was anbrennt, und eine militärische Machtdemonstration einer anderen Atommacht gegen Putin bleibt aufrechterhalten. Was Biden offensichtlich besser erkennt, und das auch öffentlich demonstriert, ist, dass für die Bewältigung der alles überwölbenden Klimakrise Kooperation der Grossmächte eine notwendige (!) Bedingung ist. Darum wird er auch mit Xi Jinping konferieren. Besser, als wenn er es nicht täte.
Die deutschen Hanswürste
Södermarkus soll um 14 h zu Journalist*inn*en sprechen. Laschetarmin will seinem Vorstand heute Abend was vorschlagen. Das ist ungefähr so jämmerlich, wie Fifa, Uefa, ECA, DFL, DFB und JP Morgan. Kommunikative Verhandlungskompetenz ist ausgeschaltet. Es gibt nur noch Er oder Ich, Wir oder Die, Gut oder Böse. Armin Laschet hat zweifellos in einen Abgrund geschaut, den Ulrich Horn uns heute anschaulich – und fast schon mitfühlend – beschrieben hat. Es ehrt Laschet, dass er dagegen Dickköpfigkeit mobilisiert, etwas zu spät, um die Gefahr noch abwenden zu können. Sollte er seine Führungsaufgabe verteidigen können, drängt sich die Frage nach dem Preis, den er zu zahlen hat, sofort auf.
Inzucht ist biologisch gefährlich. Die Reduzierung von Denken, Verstand und Gehirn auf 0 und 1 ebenfalls. Wenn CDU und CSU davon hingerafft werden, mag das mancher als Kollateralnutzen erscheinen. Es ist nur leider repräsentativ dafür, wie sich unser menschliches Zusammenleben derzeit verändert.
Ambivalenz, Ambiguität, Empathie, Körpersprache, die Haut als Organ (!) – alles lebensbedrohlich bedroht. Eine neue Bundeskanzlerin wird das nicht auflösen können.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

Ein Kommentar

  1. Helmut Lorscheid

    Ich würde nicht so weit gehen, Diesen Rechtsextremisten Nawalny im Zusammenhang mit “demokratischer Oppotion” zu nennen. Nun weiß ich auch nicht, ob man Steuerhinderziehung unbedingt mit Arbeitslager ahnden muß und über die humanitäre Qualität russicher Straflager habe ich zwar keinerlei eigenen Informationen, denke aber, dass in dem Bereich sicher noch Luft nach oben ist. Ich fände es ganz nett, wenn Großbritanien seinen prominentesten politischen Häftling Julian Paul Assange in die ihm zustehende Freiheit entlassen würde und ich fände es angemessen, wenn dieser Laiendarsteller eines Außenminister Heiko Maas sich für beide einsetzen würde. Von mir aus auch für diesen rechtsradkialen, rassitischen Steuerhinterzieher in Russland aber auf jeden Fall für den eigentlich mit Journalistenpreisen auszuzeichnenden Julian Assage. Was die Ukraine betrifft – wieso sollte Russland auf seinen Hafen auf der Krim verzichten? NATO-Kriegevorbereitung – “Manöver” genannt in und um die Ukraine beenden, mit Putin reden und das machen was Martin in seinem Text hier vorgeschlagen hat. Das ist vernünftig, was er schreibt, brauche ich nicht zu wiederholen, möchte aber darauf verweisen. Ach ja die Auflösung von Guantanamo von den USA zu fordern, wäre auch noch eine gute Idee finde ich.

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