Beim Freitag bringen die geschätzten Kollegen Hans Hütt und Michael Angele nur noch ein gequältes Stöhnen über den Kriegsjournalismus der Mehrheit ihrer Kolleg*inn*en hervor. Es geht mir wie ihnen, und ich danke ihnen, dass sie das zum Ausdruck bringen. Politisch und intellektuell ist das aber nicht genügend. Eine Lichtquelle entdeckte ich beim mittäglichen Spaziergang in Beuels City.
Meine Stammlokale sind heute geschlossen. Ich wählte eins, das kein Wlan hat. Das Tablet blieb in der Tasche. Ich holte stattdessen die aktuelle Juni-Ausgabe der LeMonde diplomatique hervor. Die trage ich für solche Notfälle bei mir. Als sehbehinderter mit Gleitsichtbrille liebe ich kleingedruckte kontrastarme Druckwerke überhaupt nicht. Am Tablet kann ich diese Behinderungen alle regulieren. Und inhaltlicher Qualität tut es keinen Abbruch.
Ich las “Energiekrieg – Drei Monate nach dem Beginn der russischen Invasion tobt jenseits der Ukraine eine Schlacht um die Energie, bei der bereits absehbar ist, wer zu den Verlierern und wer zu den Nutznießern zählt. Europa und vor allem Deutschland gehören ohne Zweifel zur ersten Gruppe.” von Mathias Reymond und Pierre Rimbert. Die Autoren sind nicht von der Berliner taz, sondern von der französischen LMd. Das tut ihrer rationalen Argumentationsführung und Analysefähigkeit sichtlich gut. Bei der alten Kolonialmacht sind weniger Weltsichten mit Brettern zugenagelt, als im piefigen Deutschland.
Und Ihr Glück als Extradienst-Leser*in ist, dass ausgerechnet dieser exzellente Text online frei zugänglich ist, von mir verlinkt werden konnte, so dass auch Sie diesen Tag klüger beenden können, als Sie ihn begonnen haben. Falls Sie in dem Text was Falsches entdecken – ich habe nichts gefunden – sagen Sie mir bitte Bescheid. Aber wer von uns übermittelt es denen in Berlin?
Medienkapitalismus, chinesischer
Davon gibt Zeyi Yang (Technology Review/heise-online) einen recht dramatischen Eindruck: “Wie China seine größten Influencer verstummen lässt – Drei der wichtigsten Livestreamer auf der Plattform Taobao sorgten für Milliardenumsätze – bis Peking ihnen den Stecker zog.”
Der chinesische Kapitalismus erscheint noch wilder, als der, den ich in Europa kenne. Die Regierung/das Regime hingegen medienpolitisch entschieden wacher, als die technologisch hinterwäldlerischen EU und europäische Länderregierungen, die “der Musik” immer nur hinterherhecheln. Diese Wachheit des chinesischen Regimes ist nur leider sehr ambivalent. Denn sie ist aufs engste mit politisch-paranoider Kontrolle, Zensur und frühestmöglicher Bekämpfung oppositioneller Meinungen verbunden. Oder?
Sooo aktuell! Heute Abend ein Film bei 3sat über Bertha von Suttner. Wie aktuell!
Wir haben nichts begriffen und nichts gelernt! Es ist zum Verzweifeln.
Gruss, Tina Arndt
Eine Woche Mediathek:
https://www.3sat.de/film/fernsehfilm/eine-liebe-fuer-den-frieden-102.html